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Projekt Armageddon

Projekt Armageddon

Titel: Projekt Armageddon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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rundlich und sanft wie es kleiner Mädchen Art sonst ist, sondern stark, schmal und biegsam wie eines Schwertes Klinge.« Er hat das Auge geschlossen und ruft ihr Bild aus der Vergangenheit wieder herauf.
    Jörd beugt sich vor, saugt seine Worte wie Honig von seinen Lippen, nimmt sorgsam jeden Tropfen, jede Silbe, bewahrt sie wie lauteres Gold. »Sie kam mit dir?«
    Er nickt mit geschlossenem Auge. »Ohne zu zögern. Ohne ein Zeichen des Schreckens, der Fremdheit. Ich habe sie angesehen und gesagt: Komm mit. Nicht mehr.«
    Er blickt sie an. Keine Frage, kein Zweifel. »Es war richtig«, sagt er. »Sie war dort nur ein Menschenkind, zwischen Hühnern und Schweinen, Rüben und Stroh und schmutziger Wäsche. Sie wäre eine Sterbliche geblieben, aufgewachsen als Sterbliche, hätte ein sterbliches Leben gelebt und wäre gealtert und längst zu Staub zerfallen, wenn ich sie nicht mit mir genommen hätte und …« Er beißt sich auf die Lippe.
    Die Wala sieht ihn reglos an. »Du besitzt keinen der goldenen Äpfel. Nicht einer von uns hat noch von Iduns Äpfeln gekostet, seit sie von uns ging. Was tatest du, Allvater, um dein Enkelkind zu einer Unsterblichen zu machen?«
    Ein Atemzug erschüttert seine Brust. »Ich wusste mir nicht zu helfen«, ruft er verzweifelt. »Meine Macht schwindet, seit alles um uns zerfällt. Wie war es früher? Ein Wink meiner Hand, ein Blinzeln meines Auges, und ein Sterblicher ist vom Tode befreit. Ich war es, der die Runen schuf, ich habe die Macht, sie zu sprechen. Aber meine Kraft schwindet, schwindet, schwindet unaufhaltsam!« Er ballt die Faust und schlägt sie gegen den rauen Stein des Herdes.
    »Was also hast du getan?«
    Er strafft die Schultern. »Mein Wort ist immer noch mächtig genug, um die Zeit für das Kind zu blenden. Nicht anzuhalten, nicht zu vertreiben. Ich habe Hjördis für die Augen der Alten Riesin unsichtbar gemacht.«
    Die Wala bewegt stumm die Lippen. Sie schüttelt den Kopf und beginnt zu lachen. »Das ist ein Streich, wie ihn nur einer von euch ersinnen konnte. Loki oder du.« Sie lacht wieder, reibt sich die Augen, in denen helle Tränen stehen.
    »Ich habe den Zauber erneuern müssen. Immer wieder aufs Neue habe ich sie gesucht und gefunden, und bis heute hat die Zeit sie verschont.« Er hockt vor dem Herd, legt die Hände auf die Knie. »Doch auch ein anderer hat sie gefunden. Mir entrissen. Getötet, meine Enkeltochter, Odins Schild und Schwert!« Er reißt den Kopf in den Nacken und schreit, wütet, schlägt mit wildem Grimm auf die stummen Steine des gemauerten Herdes.
    Sie ist neben ihm, hält ihn, birgt sein Haupt an ihrer Schulter. »Du wirst sie finden«, sagt sie. »Du wirst sie zurückbringen.«
    Er schüttelt den Kopf. »Ich kann nicht dorthin gelangen«, flüstert er. »Kein Durchgang, und wäre er noch so klein, wäre meinem Blick entgangen. Aber dort ist nichts. Nichts.«
    »Loki?«, sagt die Wala, zweifelnd.
    Er schüttelt den Kopf. »Ich muss mich irren«, sagt er müde. »Vielleicht trieb er sich wirklich nur dort unten herum, in Hels Reich. Ich kenne seine krummen Wege nicht und weiß nicht, was ihn bewegt.«
    Sie zieht ihn mit sich, drückt ihn auf die Bank, schöpft heißen Met in seinen Becher. »Wie lange war sie bei dir?«, lenkt sie sein Grübeln auf andere Bahnen.
    Er lächelt. »Nicht lange genug«, sagt er sinnend. »Ich liebte dieses Kind. Ich wiegte sie auf meinen Knien. Sie lauschte meinen Liedern und sang sie mit mir.« Er hebt die Hände, lässt sie wieder sinken. »Brynhildr kam und holte die Tochter zurück. Ich erwartete sie schon lange. Ich glaubte, sie würde toben, wüten, mich beschimpfen. Aber sie sprach kein Wort, sah mich nicht an, war kalt und fremd. Nahm ihre Tochter, die weinte und die Hand nach mir streckte und den Blick nicht von mir nahm, bis beide mir schwanden.«
    »Du hast Brynhild nicht gehindert.«
    Er beißt die Zähne aufeinander, so fest, dass die Sehnen in seinem Hals wie Stricke unter der Haut erscheinen. Er schüttelt den Kopf. »Nein«, stößt er hervor. »Ich habe sie nicht gehindert.« Senkt das Haupt und legt es in beide Hände.
    Die Wala steht auf und durchmisst ruhelos die Länge der Küche. Auf und ab. Ab und wieder auf. Presst die Hände ineinander. Ringt mit einem Schatten, den niemand außer ihr sieht. Bleibt stehen. Öffnet den Mund, zwingt die Worte zwischen die Zähne: »Ich gehe mit dir. Wir finden den Weg hinein, wenn wir beide ihn suchen.«
    Odin hebt den Blick, verständnislos. »Was willst

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