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Projekt Armageddon

Projekt Armageddon

Titel: Projekt Armageddon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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wie dürres Holz. Er röchelt, sein Gesicht wird dunkel.
    Die Wala wirft sich in den mörderischen Griff, zerrt an Odins Händen, zwingt ihn, von dem Bruder abzulassen.
    Loki sinkt auf die Bank zurück, reibt seine Kehle, hustet.
    Odin steht vor ihm, die Fäuste geballt, bebend, sich mühsam zäumend. »Rede«, grollt er. »Rede, du Wurm, du meineidiger Verräter, du elende Kreatur!«
    Loki, blutrote Male auf seinem Hals und seinem Genick, dreht den Kopf, prüfend, ob er ihn noch auf dem Halse trägt. Schüttelt sich. Wehrt den erneut zupackenden Griff nach seiner Schulter ab. »Lass mich«, krächzt er. »Du würdest es nicht verstehen. Es war ein Unfall, keine finstere Absicht. Wie hätte ich sie töten wollen, die mir das Licht und das Liebste ist?«
    »Finster ist dein Herz.« Odin wendet sich ab. »Ich dringe nicht weiter in dich, Lügengott, denn niemand wird je die Wahrheit über deine Lippen leuchten sehen. Geh. Ich will dich nie wieder sehen, nie wieder das Wort an dich richten, nie wieder deine Schwelle betreten, nie wieder Trank mit dir teilen. Die Luft die du atmest, sei dir bitter, das Wasser, das deine Lippen netzt, faulig. Die Sonne meide deine Wege, auf dass du auf ewig im Schatten wandelst und wer dir begegnet, soll vor dir ausspucken. Allvater verstößt dich. Geh!«
    Loki steht, hoch aufgerichtet, bleich wie der Tod. Er leckt die Lippen, setzt an zu sprechen, verschluckt die Worte. Nickt. Wendet sich ab und geht. Die Tür schließt sich hinter ihm, und Odin schmettert mit einem donnernden Fluch die Faust auf den Tisch, der zersplittert und bricht.
    Jörd schlingt leise das Tuch um die Schultern und folgt dem Lügengott. Sie findet ihn am Ufer des Sees, wo er mit gesenktem Kopf den stillen Spiegel des Wassers betrachtet.
    »Loki«, spricht sie ihn an und legt die Hand auf seinen Arm. Er regt sich, bleibt dann mit abgewandtem Kopf abwartend stehen. »Loki, ich glaube dir, dass keine finstere Absicht dich treibt. Dennoch, du verbirgst die Wahrheit.« Sie fasst seine Schulter und bringt ihn dazu, sie anzusehen. Er erwidert den Blick fest, aber seine Augen sind verschleiert und lassen sie nicht erkennen, was er fühlt.
    Sie betrachtet ihn. Im hellen Licht, das vom Laub der hochragenden Esche widergespiegelt wird, sind die Narben in seinem Antlitz hart und deutlich zu erkennen. Der jugendliche Anschein, der ihn eben noch umgab, wird brüchig und rissig vor ihren Augen. Schatten liegen über seinem Gesicht, sein flammendes Haar dämpft ein winterlicher Schleier. Seine Schultern sinken herab, die scharfen Züge seines Gesichtes sind schlaff und müde. Falten ziehen sich über seine Stirn, an seinem Mund entlang. Er sieht ihren Blick, hebt die Schultern. »Es wird immer schwerer, es aufrecht zu erhalten«, sagt er resigniert. »Die Kälte kriecht unaufhaltsam an uns herauf. Jörd, meine Freundin, Odin ist ein Narr, dass er Ragnarök mehr fürchtet als unseren wahren Feind, die alte Riesin Zeit.«
    Sie schiebt die Hand unter seinen Arm, lehnt sich gegen ihn und betrachtet ihrer beider Bild im dunklen Spiegel des Sees. »Er fürchtet nichts mehr, als das schmähliche Dahinsiechen, ein wimmerndes Ende, unbemerkt von der Welt. Dagegen erscheint ihm der strahlende, ehrenvolle Tod, den die letzte Schlacht ihm bringt, der Weltenbrand, mit dem alles endet, der angemessene Schlusspunkt für ein ruhmreiches Leben.« Sie wiegt den Kopf, seufzt. »Wie kann ich es ihm verdenken? Er ist der Walvater. Soll er sich hinter dem Ofen verkriechen und dort sterben?«
    »Er soll gar nicht sterben«, versetzt Loki heftig. »Er soll sich des Lebens freuen – und sich aus Angelegenheiten heraushalten, die ihn nicht betreffen!«
    Die Wala lächelt schwach. »Ich werde es ihm ausrichten. Aber ich bezweifle, dass er in dieser Sache auf mich hören wird.«
    »Ich ebenfalls«, erwidert er düster. »Leb wohl, Jörd. Ich weiß nicht, wann wir uns wiedersehen.« Er wendet sich ab und geht, verschwindet im tiefen Schatten der riesigen Esche.
    Jörd schöpft eine Handvoll Wasser aus Urds Quelle, wäscht sich das Gesicht, reinigt ihre Gedanken. Sie ordnet ihr Schultertuch, verschränkt die Arme, steht eine Weile mit nachdenklich gesenktem Kopf und kehrt endlich zurück ins Haus zu ihrem zürnenden Mann.

5
    Was wird Odins Ende werden,
Wenn die Götter vergehen?
    D as Arbeitszimmer Dellingers glich dem im PLAN bis auf das riesige Panoramafenster. Hier blickte es auf den dunklen Park mit seinen großen Bäumen, deren Zweige sich sacht im Wind

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