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Projekt Armageddon

Projekt Armageddon

Titel: Projekt Armageddon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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Händen zu reißen?«
    Er schweigt. Denkt nach. Kaut ihre Worte im leeren Mund wie einen Bissen trockenes Brot, der sich nicht hinunterschlucken lassen will. Nickt dann und lächelt. »Sie ist meine Enkelin. Sie hätte es gewagt, oh ja. Dessen bin ich mir sicher.« Sein Lächeln wird ein Lachen, laut und frei. »Wer auch immer sie als Waffe gegen mich benutzen will, er wird sich hüten müssen, sie an der richtigen Seite zu packen, sonst schneidet er sich selbst die Finger von seiner Hand.«
    »Ich verstehe dich nicht«, erwiderte die Wala heftig. »Du gabst ihr Gungnir, wie du selbst sagtest. Ich habe sein Geistbild über ihrem Kopf gesehen, es schwebte dort wie ein seltsamer Vogel. Aber wenn das die Wahrheit ist – was wiegst du dort im Schoß wie eine Mutter ihr Kind?«
    Odin schaut auf seine Hände hinab, als wolle er sicher gehen, dass er ihre Worte richtig versteht. »Gungnir fasse ich, den Schwankenden, den niemals Fehlenden. Zwerge schufen ihn, die kunstreichen Söhne des starken Iwaldi. Durch ihn kam der Krieg in die Welt. Runen schmücken Gungnirs Schaft und sind in seine Spitze geritzt. Ich selbst ritzte sie, ich selbst besprach sie.« Er richtet sich hoch auf, sein Auge blitzt. »Nie gäbe ich Gungnir, dem kein Schild, keine Mauer widersteht, in fremde Hand.«
    Die Wala erwidert seinen Blick voller Verwirrung. »Du gabst ihn in Hjördis Hand und Hut«, wagt sie Widerspruch.
    Odin hebt den Speer über seinen Kopf. Donner grollt. Die blauglühende Spitze wirft kaltes Licht und scharfe Schatten über sein Antlitz. »Dies ist Walvaters Speer. Mit ihm eröffnet der Heervater die letzte Schlacht und ihn hält der Rabengott, wenn er sich seinem letzten Feind stellt«, sagt er laut.
    Jörd lässt ihre Schultern sinken und lacht. »Lieber, wenn du von dir sprichst wie von einem Dritten, ist es Zeit, dir roten Wein zu trinken zu geben und dich zu Bett zu bringen.« Ihr Spott trifft ihn wie ein kühler Guss aus tiefer Quelle. Er verzieht das Gesicht und schüttelt sich wie ein nasser Wolf. Dann lacht er und stellt den Speer in die Ecke hinter der Tür. »Dann halte jetzt, was du versprachst«, sagt er und fasst ihre Taille. »Roten Wein und ein warmes Lager. Trotzen wir dem Weltenbrand, meine Jörd – aber nicht mehr in dieser Nacht.«
    Sie lacht und lässt sich küssen. »Du musst es mir aber erklären«, bittet sie. »Morgen. Wirst du das tun?«
    »Das werde ich, meine Jörd«, verspricht er. »Wenn ich selbst es verstanden habe, wieso ich Gungnir fortgeben konnte und dennoch behielt.«
    Sie schreit empört und gibt ihm einen festen Stoß. »Du bist ein Betrüger, Wälse! Die ganze Zeit ziehst du mich auf, neckst mich und führst mich in die Irre?«
    Er hält sie fest, die sich sträubt, wenn auch lachend. »Ich bin nicht die Seherin«, flüstert er in ihr Ohr. »Du wirst es mir erklären, meine Wala. Ich tat, was ich tun musste: Ich gab meiner Enkelin Gungnir, den sicher Treffenden, damit sie tun kann, was sie tun muss. Und dennoch fand ich ihn hier in meiner Faust, als wäre er nie von meiner in ihre Hand gegangen. Was ist der Sinn? Ich weiß es nicht. Aber ich weiß, dass ich richtig handelte.«
    Sie sprechen nicht mehr darüber in dieser Nacht.
    Der Morgen ist frisch und kühl, Sonnenschein glitzert in den Tauperlen, die im Gras und an den Zweigen der Büsche hängen. Odin steht gedankenverloren mit bloßen Füßen im feuchten Gras und blickt zum Himmel. Weit oben im klaren Blau kreisen zwei Raben.
    Er hört die sachten Schritte nicht, die sich nähern. Ein Windhauch bewegt das Gezweig, flüstert über den betauten Grund, bewegt eine Strähne von Allvaters Haar.
    Nun senkt er den Blick. Sieht den Mann, der vor ihm steht, zögernd die Hand zum Gruß hebt. Sein Blick verfinstert sich.
    »Du«, sagt er. »Warst du es, der sie hierher brachte? Der sie beauftragte, mich zu töten? Was wagst du dich hierher?«
    Loki lässt die Hand sinken, seine Faust ballt sich. »Erinnere ich mich recht, so warst du es, der mich zu töten versuchte«, sagt er mit gelindem Vorwurf. »Odin, mein Bruder, was muss ich tun, damit du dein Misstrauen nicht mehr gegen mich wendest? Wie lange schon währt unser Zerwürfnis. Denkst du nicht, dass jetzt, am Ende aller Zeiten, die Brüder einander endlich vertrauen sollten?«
    Odin lacht auf. »Luggott, Truggott«, sagt er spöttisch, aber der Zorn weicht aus seinem Gesicht. »Deine Zunge ist so flink wie der Flügel einer Mücke.« Er weist zum Haus. »Nun, da du hier bist – komm und

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