Projekt Armageddon
gehen nach Hause«, sagte sie. »Die Reise ist unangenehm, und es kann sein, dass dir übel wird. Halte dich einfach an mir fest und denke an gar nichts. Es geht vorüber.«
»Wir müssen miteinander reden«, erwiderte der Gott. Er sah sie traurig und zutiefst verstört an.
Sie nickte. »Das müssen wir, Afi. Wenn wir zu Hause sind.«
Sie sprangen. Ash hielt den Blick auf Odin gerichtet und sah, wie er sich umschaute. Staunend. Voller Unglauben. Sein Auge weitete sich, er atmete schwer. »Was ist dies für ein wunderbares Land?«, hörte sie seine Stimme in ihrem Kopf hallen. »Wem ist es untertan?«
Sie vollendete den Sprung, und fing den Taumelnden auf. »Welche Pracht«, sagte er und hielt sich an ihr fest. »Die grünen Weiden, die sanften Hügel und die mächtigen Berge – so hat die Welt ausgesehen, als sie und ich jung waren.« Eine Träne lief an seiner Wange herab.
Ash umarmte ihn und küsste ihn auf die Wange. Es erstaunte sie – und erstaunte sie wiederum nicht – dass Odin den Nullraum anders erlebte als sie es tat. Nichts, was im Nullraum geschah, konnte sie wirklich überraschen.
»Zeig mir, wie man den Eingang zu diesem Land findet«, forderte Odin. Sein Blick, der nach innen gekehrt war, richtete sich nun auf die Welt um ihn, und er sog voller Staunen die Luft ein. »Aber …«, rief er aus. »Was ist das für Zauberwerk?«
Sie standen am Ufer des Urdbrunnens, über ihnen rauschte das Gezweig der Weltesche. Friedlich war es, still. Unberührt.
Ash lachte laut auf und umarmte ihren Großvater. Jetzt erst erkannte sie, dass sie insgeheim befürchtet hatte, auch hier einen rauchenden Stumpf und ödes Land vorzufinden.
»Zu Hause, Afi«, rief sie. »Wir sind wieder zu Hause.«
Hinter ihnen erklangen Schritte auf dem weichen Boden. Loki war es, der mit Ravi an seiner Seite den Pfad herauf kam. »Alles in Ordnung bei euch?«, rief der Feuergott. Ash nickte und winkte.
Ravi, der den Beutel mit Äpfel trug, sah sich staunend um. »Schön«, sagte er, als er Ashs Blick bemerkte. »Das ist wirklich schön hier. So grün.«
Und dann hörte sie die Stimme einer Frau, die »Wälse« rief, und kurz darauf lief ihre Großmutter auf Odin zu und fiel ihm um den Hals und weinte und lachte gleichzeitig. »Ich habe es gesehen – du warst tot«, hörte Ash sie zu ihm sagen. »Fenrir hat dich gefressen, Yggdrasil war gefallen, die Welt brach auseinander. Mein Wälse, ich habe nicht daran geglaubt, dass du wiederkehrst!«
Der nächste Tropfen fällt und wird von einer Zungenspitze aufgefangen. Das Moos schmiegt sich weich unter einen Körper, der sich auf ihm ausstreckt. Schlafen. Träumen. Sich erinnern. Nicht an die Zukunft denken, die dunkel ist und voller Schatten, die nach ihr greifen.
Der Abend dämmerte, und sie saß an Ygddrasil gelehnt und lauschte dem Geläut der Unken am Uferrand. Die Schritte, die sich ihr näherten, waren ihr so vertraut, dass sie sich nicht umdrehte. »Afi«, sagte sie und zog ihre Jacke enger um die Schultern, denn feuchte Kühle zog vom See herauf.
»Hjördis«, hörte sie seine tiefe Stimme erwidern. Sie wandte den Blick nicht von den Schwänen, die im Gesträuch ihren Ruheplatz für die Nacht suchten, helle Flecken im Schatten. Sie fröstelte.
Er setzte sich neben sie, so dicht, dass sie die Wärme seines Körpers spürte. »Reden wir.«
Ash wich seinem Blick aus. »Du hast mich getötet«, sagte sie. Ohne Vorwurf. Ohne Zorn oder Frage.
Er schwieg. Wasser gluckste gegen die Steine am Ufer. In der Nähe quakte ein Frosch, etwas platschte laut. Es roch nach Wasser und Entengrütze.
»Ich habe dich getötet, und du bist zurückgekehrt. Es ist mehr Göttliches an dir, als ich dachte.«
Ash betrachtete beinahe verwundert den kleinen Funken Zorn, der in ihr aufflammte. »Du hättest es wirklich fertig gebracht, mich zu Hel zu schicken und niemals wieder einen Gedanken an mich zu verschwenden?«
»Du hast mich hintergangen, verraten und an meine ärgsten Feinde verkauft«, sagte er ruhig.
»Das habe ich nicht!« Ash fuhr herum und sah ihn zornig an. »Ich habe, verdammt noch mal, versucht, diese verdammten Äpfel für euch zurückzubekommen. Seht euch doch an! Ihr vegetiert dahin, rettet euch von Tag zu Tag, werdet immer schwächer und hinfälliger, älter und älter! Was erwartest du? Dass ich seelenruhig dabei zusehe?«
Er wich vor ihrem Zorn nicht zurück, eisgrau sein Auge, kalt wie der Fimbulwinter sein Blick. »Du hättest mich ins Vertrauen ziehen können.«
Sie
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