Projekt Armageddon
Morgensonne.« Sie hebt die Hand, verbirgt ihren Mund, der zu lächeln begonnen hat. »Du hast gut gerechnet, Flamme. Aber ich war drei Monate mit Odin in Midgard unterwegs, weil ich es nicht ertragen habe, hier herumzusitzen.«
Sein Kopf sinkt nach hinten gegen die Hauswand, schlägt dumpf gegen das Holz. Er schließt die Augen und stöhnt. »Das Kind?«, sagt er schließlich. »Was ist mit ihm geschehen? Hat Odin es getötet?«
Sie reicht ihm die Hand, deutet zum Haus. »Es ist drinnen und schläft. Luzifer sollte es töten, aber er hat es nicht fertig gebracht. Wenn du also nun deine Pflicht als liebender Vater tun willst, dann bitte.«
Seine Lider zucken. Der Spott in ihrer Stimme ist unüberhörbar. Er presst die Lippen zusammen, dann nickt er. »Ich bin bereit.«
Im Zimmer ist Im Zimmer ist es dämmrig und friedlich. Eine Wiege steht in der Nähe des Fensters, darüber baumelt ein Mobile mit Tieren aus Holz. Ein Schaf, ein Pferd, ein Huhn – es soll eigentlich ein Rabe sein -, ein Hund, eine Kuh. Odin hat die Tiere geschnitzt, und man kann sehen, wie er mit jedem Tier mehr Übung darin bekam. Das Schaf ist richtig gut.
Loki bleibt an der Tür stehen. Ash sieht, wie er um Fassung ringt, seinen Mut sammelt, sich wappnet für den Anblick, der ihn erwartet. Ash geht zur Wiege und schaut auf ihr Kind hinab. »Schau«, sagt sie leise. »Sie schläft.«
Er kommt an ihre Seite, beugt sich über die Wiege. Blickt hinein. Ash hört seinen Atem, der schwer geht, stoßweise, rau.
»Was ist das?«, fragt er. Sieht sie an.
Ash erwidert seinen Blick. »Das ist unser Kind. Unsere Tochter.«
Ein Zucken geht über sein Gesicht, als unterdrückte er einen Schrei oder ein Schluchzen. Er wendet sich wieder zur Wiege, greift nach dem Tuch, mit dem der schlafende Säugling zugedeckt ist. Zögert. Fragt: »Darf ich …?«
Ash haucht: »Ja.« Sie geht zum Fenster und blickt hinaus. Die ersten Blätter des Herbstes fallen in einem plötzlichen Windstoß wie ein Regenschauer zu Boden und färben den dunklen Grund golden. Ash legt die Stirn an die kalte Fensterscheibe. Hinter ihr im Zimmer ist es still. Sie hört Lokis Atem, und dann, wie er zu weinen beginnt.
Ash wendet sich vom Fenster ab und geht zur Wiege zurück, um ihre Tochter zuzudecken. Sie verweilt noch einen Moment, streichelt mit dem Finger sacht über die Wange des Säuglings und schiebt eine feuerrote, seidenweiche Haarsträhne aus der Stirn. Das Mädchen macht ein kleines, zufriedenes Schlafgeräusch und öffnet einen Spaltbreit die Augen. Ein Bläschen erscheint auf ihren leicht geöffneten Lippen. Sie schmatzt und schläft weiter.
Ash seufzt und geht zu Loki, der sich in die Zimmerecke gerettet hat. Sie legt ihm die Hand auf den Arm und schiebt ihn zur Tür. »Lass sie schlafen«, flüstert sie.
In der Küche stehen sie voreinander, sprachlos beide. Lokis Augen sind feucht, aber er hat sich gefasst. »Wie heißt sie?«, fragt er.
»Oddny Hjördisardottir«, erwidert Ash und setzt Wasser auf. »Komm, setz dich, trink eine Tasse Tee mit mir. Dann überlegen wir uns, wie es weitergehen soll.«
»Oddny«, wiederholt er und lässt sich auf das Küchensofa sinken. »Speerspitze. Anführerin. Neuanfang. Ja. Ein schöner Name.« Er legt das Gesicht in die Hände, beginnt wieder erstickt zu weinen.
Ash hört auf, herumzuhantieren. Sie wischt zaudernd ihre Hände an einem Küchentuch ab, dreht es zu einer Rolle zusammen, wirft es auf die Spüle. Beißt sich fest auf die Lippen und geht dann zu Loki, um ihn zu umarmen. »Ich bin sehr wütend auf dich«, sagt sie sanft. »Sehr, sehr zornig. Du hast mich im Stich gelassen, Loki Flammengott. Odin hatte es mir vorhergesagt, und ich habe ihn dafür ausgelacht.« Sie zieht seinen Kopf an ihre Brust und streichelt seine Schultern. »Ich liebe dich aber immer noch, Flamme. Was soll ich nun tun? Rate mir.«
Sie spürt sein Kopfschütteln. Seufzt und streichelt ihn, bis sein Weinen verstummt. »Weißt du«, sagt sie versonnen, »es wäre das Beste, wenn du bei mir bleibst. Jemand muss sich mit mir um Oddny kümmern. Es ist nicht ganz so einfach mit ihr.« Ash lacht. »Ich muss gleich ihr Bettzeug neu machen, wenn ich es vergesse …«
»Es war schrecklich feucht«, sagt Loki und hebt den Kopf. Er trocknet sein Gesicht mit dem Ärmel. »Ist das gut? Wenn sie sich erkältet …«
Ash schnauft amüsiert. »Ich werde sie gleich in klatschnasse Tücher wickeln«, sagt sie. »Nur ›feucht‹ ist schon nicht ganz
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