Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Projekt Armageddon

Projekt Armageddon

Titel: Projekt Armageddon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
Vom Netzwerk:
voller Behagen zu, wie der junge Offizier Tee und Butterbrote bereitet.
    »Was bist du inzwischen, Leutnant?«, fragt sie.
    Ravi nickt und schneidet dicke Brotscheiben von einem Laib herunter. »Persönliche Ordonnanz des Direktors«, fügt er mit einem schiefen Grinsen hinzu. Er pustet eine Strähne seines schwarzen Haars aus der Stirn.
    Ash kichert. »Ihr schrecklichen Militärs.«
    Ravi blickt auf und lacht sie an. »Ja, wir nehmen das sehr ernst. Kannst du dir vorstellen, wie alle vor dem Alten strammstehen und er uns herumkommandiert?«
    Ash prustet.
    Ravi gießt den Tee auf und deckt sorgfältig den Tisch. »Drei Gedecke?«, fragt Ash. »Wen erwartest du?«
    »Vier bitte«, erklingt die Stimme ihrer Großmutter. »Guten Tag, junger Mann. Ich wusste, dass du vor mir hier eintreffen würdest.«
    »Amma«, ruft Ash und streckt die Hände aus. »Wie freue ich mich!«
    Jörd beugt sich zu ihr hinunter und küsst sie auf die Wange. »Gut siehst du aus, meine kleine Hjördis. Nur ein bisschen müde.« Sie richtet sich auf und nimmt den Becher entgegen, den Ravi ihr reicht. »Danke. Ah, das tut gut.«
    »Bist du gerade erst angekommen? Ist Afi bei dir?«
    Jörd betrachtet sie über den Rand ihres Bechers hinweg. Ash erkennt voller Erleichterung, dass das kleine Apfelstück immer noch seine Wirkung tut. Die Wala erscheint wie eine Frau in den besten Jahren, und ihr dunkelblondes Haar wird nur von einigen wenigen silbernen Strähnen zum Glänzen gebracht.
    »Ich bin gerade erst angekommen, ja. Es ist bald so weit.« Sie stellt die Tasse ab. »Und dein Großvater ist noch unterwegs. Wie geht es dir – sorgst du dich?«
    »Ja«, sagt Ash. »Aber reden wir nicht darüber. Ich freue mich so, dass ihr da seid, um mir beizustehen.«
    »Nun, wer soll sonst das Kind holen? Deine getreuen Paladine?« Die Wala lächelt ihr zu.
    Ash fühlt, wie eine Wolke der Schwermut sich auf sie senkt. »Nein, dafür brauche ich sie wohl nicht«, sagt sie leise.
    Jörd schlägt die Hand vor den Mund und beugt sich vor. »Es tut mir leid, ich habe unbedacht gesprochen.« Ihr Blick ist mitfühlend. Sie legt ihre Hand auf die von Ash. »Fürchte dich nicht so sehr«, sagt sie leise. »Es kann doch auch sein, dass alles gut geht. Du fühlst nichts Böses, sagst du. Und ich habe nichts erkennen können, was dich bedroht. Vielleicht …«
    »Vielleicht«, stimmt Ash ihr ohne große Überzeugung zu. »Das vierte Gedeck …?«, lenkt sie ab.
    Ravi setzt sich zu ihnen und pustet in seine Tasse. »Ich war möglicherweise voreilig«, sag er. »Aber ich hatte ihn so verstanden, dass er mir folgt.«
    Wie auf ein Stichwort öffnet sich erneut die Tür. Ash sieht den Eintretenden und lacht vor Freude. »Ravi hat nicht verraten, dass du kommst. Oh, ihr macht mich so froh!«
    Er hängt seinen Hut an den Haken und zieht den Mantel aus. Die kurzgeschorenen Haare schimmern wie dichter, schwarzer Pelz. Das Licht, das durch das Fenster fällt, schimmert in seinen bernsteinfarbenen Augen und lässt eine Aureole um seine Schultern entstehen, die den Anschein erweckt, er hätte Flügel.
    »Ash«, sagt er und beugt sich wie vorher ihre Großmutter über sie, um sie auf die Wange zu küssen. »Wir haben uns lange nicht gesehen. Wie geht es dir?«
    »Es geht mir gut«, sagt sie und schluckt. »Und es ist für meinen Geschmack viel zu lange her – Luzifer?«
    »Ja«, sagt er und macht sein Macnamara-Gesicht. »Ich glaube schon. Ich habe dich vernachlässigt, kannst du mir vergeben?«
    »Dir vergebe ich doch alles.« Ash klopft ihm auf die Hand.
    Er setzt sich neben Ravi und sieht ihn streng an. »Du hast vergessen, den Urlaubsschein auszufüllen. Murgatroyd war sehr aufgebracht, dass du seine heilige Ablage durcheinander bringst.«
    »Ups«, sagt Ravi unbeeindruckt. »Sorry, Chef.« Er beißt in sein Brot.
    Luzifer sieht ihn noch eine Weile weiter streng an, aber Ash kann die Fältchen in seinen Augenwinkeln erkennen. Es hat ihm gut getan, sich mit seiner anderen Hälfte zu versöhnen, denkt sie. Eine Weile hatte es so ausgesehen, als würden die beiden Persönlichkeiten sich gegenseitig abstoßen, wie fremde Organe oder die falsche Blutgruppe. Mac beschwerte sich über den arroganten, humorlosen Luzifer, der immer alles besser zu wissen meinte, und Luzifer klagte leise über den dummen Kerl im Trench, dem nichts wichtiger war, als cool zu wirken, dämliche alte Filme zu schauen und Aktenstaub zu fressen.
    Aber irgendwann schlossen die beiden Waffenstillstand.

Weitere Kostenlose Bücher