Projekt Armageddon
Gelegentlich kam noch einer von ihnen vorbei und jammerte ein bisschen, aber das wurde immer seltener und hörte schließlich ganz auf.
»Chef«, sagt Ravi und spült einen Bissen Brot mit einem großen Schluck Tee hinunter, »hast du es ihr schon erzählt?«
Luzifer nippt und sieht Ash nachdenklich an. »Wir haben das Ortungsgerät fertig. Nahezu fertig. Es befindet sich gerade in der Erprobung.« Er stellt seinen Becher ab. »Dein Großvater testet es.«
»Oh«, sagt Ash matt. »Na, das ist ja schön.« Sie weiß nicht, ob sie sich darüber freuen soll. Was hat sie davon, wenn Odin seinen Bruder endlich findet? Er wird Loki wahrscheinlich töten. Ist ihr das gleichgültig? Sie weiß es nicht. Immerhin – da sind auch noch die Äpfel. Falls Loki sie bei sich trägt.
Sie stöhnt leise und legt den Kopf in die Hände. Der Gedanke tut weh.
Der Gedanke?
Sie stöhnt erneut. »Ich glaube …«, sagt sie erstickt, »ich fürchte … Amma!« Sie legt sich zurück und zieht die Decke über den Kopf.
Sie hört, wie ihre Großmutter geschäftig durch die Küche eilt und den beiden Männern in gedämpftem Ton Befehle erteilt. Töpfe klappern, Wasser rauscht, das Feuer knistert.
Ash ignoriert das Treiben in der Küche und lauscht in sich hinein. Schmerz, aber er ist auszuhalten. Rollt heran, ebbt ab, wie Wellen, wie Wind. Ruhe, dann wieder die nächste Woge. Ein wenig höher als die erste, ein wenig länger, bis sie abzieht. Ash treibt auf den Wellen und genießt den Schmerz, weil er den bösen Tanz ihrer Gedanken unterbricht.
Bei der nächsten Welle kommt sie an die Oberfläche, schnappt nach Luft, sieht in das Gesicht ihrer Großmutter. »Gut, mein Kind«, sagt die Wala. »Du weißt ja, wie es geht.« Sie tätschelt Ashs Hand. Die nickt und taucht unter.
Irgendwann flaut es ab. Eine Weile dümpelt sie wie ein leerer Kahn auf leicht bewegtem Wasser. Taucht auf. Sieht, dass es Nacht ist. Jemand sitzt an ihrem Lager und wacht.
»Luzifer?«, fragt sie.
»Mac«, erwidert der Mann. »Luzifer ruht sich aus.« Er beugt sich über sie und sie riecht Pfefferminz. Lächelt.
»Ihr seid immer noch nicht eins?«, fragt sie benommen. Es ist gut, sich über etwas zu unterhalten, nicht denken zu müssen. Gleich muss sie darüber sprechen, aber jetzt noch nicht, nicht jetzt.
Mac legt die Füße hoch und kratzt sich an der Nase. »Es ist manchmal ganz praktisch, sich aufzuteilen«, sagt er. »Im PLAN heißt es: Der Alte schläft nie.« Er grinst.
»Schön«, sagt sie und ächzt. Eine kleine Woge, nichts Besonderes. Trotzdem ist es angenehm, seine Hand halten zu können, sie fest zu drücken.
»Mac«, sagt sie. Nun muss es sein, später kann sie es vielleicht nicht mehr. »Wir müssen uns abstimmen. Ich brauche euch beide, wenn das Kind da ist.« Sie atmet. Ringt mit der Angst. Der beruhigende Druck seiner Finger lässt die Panik abflauen.
»Du hast mit Luzifer darüber gesprochen«, erwidert er.
»Ja.« Sie leckt sich über die trockenen Lippen und nimmt dankbar den Becher entgegen, den er ihr reicht. »Werdet ihr es tun? Versprecht ihr es mir?«
»Wir sind deine Paladine, Hohe Frau. Wir folgen deinem Befehl«, sagt er, aber unter dem scherzhaften Ton liegt düsterer Ernst.
Ash nickt, schließt die Augen. Wie schrecklich. Wie kann sie so etwas Grausiges von ihren Freunden verlangen?
»Ihr werdet es tun«, flüstert sie. »Sagt es mir nicht. Sagt mir nicht, was … Tut es einfach. Tötet das Kind.«
Mit dem Druck seiner Finger schläft sie ein.
Sie schreit. Es war noch nie so schmerzhaft, es hat noch nie so lange gedauert. Sie schreit, bis sie zu schwach dazu ist, dann wimmert sie nur noch. Sie hört, weit entfernt, die strenge Stimme der Wala. Sie spürt ihren festen Griff. Sie wimmert, will, dass es vorüber ist, endlich vorüber. Besorgte Gesichter, die sich über sie beugen. Sie blinzelt den Schweiß aus den Augen. Jemand wischt ihr mit einem feuchten Tuch über das Gesicht.
Dann hört sie ein Kind schreien, schrill, jämmerlich.
Sie versinkt in wohltuendes Dunkel. Luzifer wird sich um alles kümmern. Sie will nicht dabei sein.
Sie erwacht. Morgenlicht. Sie liegt in ihrem Bett, das frisch und sauber duftet. Am Fenster sitzt Ravi. Er sieht, dass sie erwacht und springt auf, kommt zu ihr.
»Sag es mir«, flüstert sie benommen. »Habt ihr es …?«
Ravis Miene ist nicht zu deuten. Er schüttelt den Kopf. »Er konnte es nicht tun«, sagt er.
Ash jammert und drückt den Kopf ins Kissen. »Er hat es mir
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