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Projekt Armageddon

Projekt Armageddon

Titel: Projekt Armageddon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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Dann, auf einen Schlag, griffen ihre Flügel ins Leere. Sie hatte keinen Atem, um zu schreien. Sie stürzte. Hinab, kreiselnd, trudelnd, ohne die Kraft, sich wieder zu fangen, aus dem tödlichen Sturz ein Gleiten zu machen. Sie war wie gelähmt, ihre Flügel hingen kraftlos herab. Der Baum raste an ihr vorbei, sie fiel wie ein sterbender Stern hinab ins Dunkel, auf die rot glühenden Punkte zu, die sie von oben beobachtet hatte.
    Die Punkte wurden zu Flecken, die Flecken zu Kreisen. Dampf wallte empor. Funken stoben auf. Umrisse schälten sich aus der Dunkelheit. Schuppen glänzten, ein langer Schwanz bewegte sich träge. Augen glänzten reptilisch grün. Nüstern entließen kleine Flammen, versengten den Baum, ließen Funken stieben. Ash stürzte auf den sich langsam öffnenden Rachen zu, Zahnreihen glänzten im Licht des Feueratems. Sie fiel, und das Maul des Lindwurms schlug über ihr zusammen.

8
    Steinberge stürzen, Riesinnen straucheln,
Zu Hel fahren Helden, der Himmel klafft.
    S ie schwebten über Azraels mächtiger Schulter. Ash konnte das langsame Pochen einer Ader in seinem Hals sehen. Sie sah Gonzalo fragend an. »Wagen wir es?«
    Er stellte die Flügelspitzen auf, um sich in der Strömung zu halten. Sein Gesicht war skeptisch. »Ich fürchte, dass wir nicht weit kämen«, sagte er. »Entweder ist das kein Ausgang oder er ist bewacht. Lass uns umkehren, Ash.«
    »Feigling«, murmelte sie, aber ihr Protest war halbherzig. Ihr Schädel brummte und klopfte in einem heftigen Anfall von Kopfschmerzen, und sie hatte das Gefühl, etwas Wichtiges vergessen zu haben. Was war es nur? Es hatte etwas mit einem Baum zu tun. Ein Baum, ein Mann, der daran festgebunden war, ein Speer. Sie schüttelte ihren schmerzenden Kopf. Das ergab keinen Sinn. Wahrscheinlich waren es Erinnerungen aus ihrem früheren Leben, die sie nun heimsuchten.
    »Wir kehren hierher zurück«, sagte Gonzalo, der ihr Kopfschütteln als Missbilligung deutete. »Ich höre mich im Lager bei den Veteranen um. Vielleicht bekomme ich auch etwas aus einem der Dämonen heraus. Barbatos ist nicht allzu schlau. Wenn es hier etwas zu verbergen gibt, ist er derjenige, der es ausplaudern wird.« Er stieß Ash an und deutete in die Tiefe. »Unsere Schäfchen warten.«
    Sie flogen an Azraels Arm entlang nach unten und passierten die Hochebene, die durch das aufgeschlagene Buch gebildet wurde. Ash ließ sich über die Kante fallen und tauchte in den Schatten darunter. Gonzalo, neugierig wie immer, schwebte noch über der Buchseite und sah zu, wie Azrael einen Namen schrieb. Dann hielt die Feder inne und das Dröhnen der Riesenstimme verstummte. Für eine Sekunde, für den Moment, den Azrael brauchte, um mit der Feder nach Gonzalo zu stechen wie nach einer lästigen Fliege. Die Spitze der Feder durchbohrte Gonzalo und spießte ihn auf.
    Ash schrie und flog eine Kurve, um sich wieder in die Höhe zu arbeiten. Sie sah, wie die Feder mit dem aufgespießten Körper in die Höhe gehoben wurde und im Wolkendunst verschwand.
    Ash erreichte das Buch, flog über seine Kante, sah die blutrote, dicht beschriebene Seite unter sich und arbeitete sich verbissen weiter empor.
    Von oben fiel etwas herab. Taumelnd, trudelnd, schwarze Federn und dunkles Haar. Ash kämpfte sich in eine steile Kurve. Ihre Muskeln brannten vor Schmerz. Dann fiel er an ihr vorbei. Mit einem wortlosen Schrei ließ sie sich hinterherfallen, legte die Arme eng an den Körper, schlug mit den Flügeln, bis sie schneller stürzte als er. Sie kämpfte sich in die Bahn seines Sturzes, bis er auf ihr zu liegen kam, und schob die Flügel durch seinen Körper. Leblos und schwer lag er auf ihr, drückte sie nach unten. Sie bog den Rücken durch und begann, noch schneller zu fallen. Der Boden raste näher. Sie musste ihn fallen lassen. Wenn sie nicht zerschmettert neben Azraels Füßen liegen wollte, musste sie Gonzalo fallen lassen.
    Tränen liefen über ihr Gesicht und spülten salzige Asche in ihren Mund. Sie stöhnte wie ein verwundetes Tier, drehte sich auf den Rücken und fühlte, wie die tote Last von ihr herabglitt. Ash vollendete die Schraube und sah dem stürzenden Körper hinterher. Der Wind zerrte an Gonzalos leblos herabhängenden Flügeln, verlieh seinem Körper sekundenlang die Illusion von Flugbewegungen, aber dann schlugen die Flügel in einem klaffenden Winkel auseinander und Gonzalo fiel wie ein Stein hinab auf den Hügel, stürzte mit einem dumpfen Schlag zwischen die aufschreienden und

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