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Projekt Armageddon

Projekt Armageddon

Titel: Projekt Armageddon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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einzulullen.
    Sie setzte dem Weißen nach. Der Engel schrie und warf sich zur Seite, und ihr Messer, das auf seinen Bauch gezielt hatte, traf nur seine Hüfte und zerfetzte seine Hose.
    Sie landete auf ihm und versuchte, seine fuchtelnden Hände unter Kontrolle zu bekommen. Dann lag die Kehle frei. Aber der Mann packte ihr Handgelenk mit Fingern, die glitschig vor Blut waren, und verdrehte es.
    »Lass los«, keuchte sie und hieb mit der freien Faust nach seinem Kopf. Er wich aus und riss sein Knie hoch, um sie abzuwerfen. Dabei löste sich sein klammernder Griff, sie packte seine langen Haare und riss daran seinen Kopf nach hinten. Seine nackte Kehle lag ungeschützt unter ihrem Messer.
    »Bitte«, flüsterte er. Seine dunklen Augen flehten um Erbarmen, Mitleid, Schonung. Sie waren so weit aufgerissen, dass Ash den weißen Rand um die dunklen Iriden sehen konnte.
    Ash biss die Zähne zusammen. »Ich kann dich nicht am Leben lassen«, sagte sie gepresst.
    »Bitte«, wiederholte er. Er berührte sacht ihr Handgelenk. Ash blickte auf seine Hand nieder, wollte sie abschütteln und erstarrte in der Bewegung.
    »Was …«, sagte sie und löste das Messer von seinem Hals. »Was hast du da?«
    Er wagte nicht, sich zu rühren. In seiner Kehle pochte eine Ader. Sein Blick hing an ihrem Gesicht. »Was?«, fragte er schwach.
    Ash packte seinen Arm und verdrehte ihn. Unter dem Blut war eine Tätowierung zu erahnen. Zwei verschlungene Namen. »Das da«, sagte sie heftig. »Was ist das? Was steht da?«
    »Mein Name«, erwiderte er verwirrt. »Mein Name und ein anderer.«
    »Ashley«, sagte Ash.
    Er starrte sie an, dann nickte er.
    »Und Ravi«, fuhr sie fort. Er antwortete nicht gleich, und sie packte seine Schulter, schüttelte ihn, schrie: »Ravi!«
    »So heiße ich, ja.«
    Ash ließ ihn los, als hätte sie sich verbrannt. »Verflucht.«
    Sie hockte neben ihm im Staub und legte das Gesicht in die Hände. Das war der Moment, in dem er sie hätte überwältigen und töten können, aber es war ihr mit einem Mal vollkommen gleichgültig. Ihr Kopf schwirrte. Ravi. Der geheimnisvolle Name auf ihrem Arm.
    Eine federleichte Berührung ließ sie zusammenzucken. Der Mann hatte sich aufgerichtet. Blut und Schmutz verklebten sein Haar, das ihm wirr ins Gesicht hing. Er sah sie an. »Du bist Ashley?«
    »Ash. Ja.« Sie schob den Ärmel hoch und zeigte ihm die Tätowierung auf ihrem Arm.
    »Aber warum …« Er fuhr sich mit seiner verletzten Hand durchs Gesicht, verschmierte noch mehr Blut darüber. »Warum bist du eine von denen? Ich dachte …« Er verstummte.
    »Ich weiß es nicht«, erwiderte sie. »Ich erinnere mich nicht an – oh. Oh nein. Alle Teufel der Hölle!« Sie schlug die Hand vor den Mund und starrte ihn an. »Ashley Fraxinus – schwarz«, wiederholte sie Azraels Worte, die ersten und gleichzeitig letzten, an die sich ihre Erinnerung klammerte. »Ravi Surya Malhotra – weiß.«
    Er schluckte. »Wir sind im gleichen Moment durchgekommen.«
    Ash nickte. »Im gleichen Moment – gestorben.«
    Sie sahen sich an, suchten in ihren Gesichtern nach etwas Vertrautem, einem Funken des Erkennens, einer gemeinsamen Erinnerung. Der Mann strich über ihren Arm, dann über seinen, als wollte er die Namen, die in ihre Haut gestochen waren, auslöschen.
    Ash lief ein Schauder über den Rücken. Seine Berührung war sanft und warm. »Du bist ein Feind«, sagte sie laut, als wollte sie sich zur Ordnung rufen.
    Über ihren Köpfen ging ein Flügelpferd in Flammen auf. Sein schrilles Wiehern ließ alle anderen Schreie für einen Augenblick verstummen. Das Zentrum des Kampfes rückte langsam auf sie zu. Ash atmete tief durch und nahm die Hand des Mannes. Ravis Hand. »Weg hier«, sagte sie, und bückte sich nach ihrem Leuchtstab.
    Sie rannten geduckt über das Feld. Der unebene, mit Geröll bedeckte Boden ließ Ash ins Stolpern kommen. Sie entfaltete zu spät ihre Flügel, setzte mit einem ungeschickten Sprung über einen toten Engel hinweg und fiel auf ein Knie. Fluchend und hinkend rannte sie weiter.
    »Wo willst du hin?«, keuchte Ravi. Ash deutete stumm auf die Hügel, in denen sich das Lager der Dunklen ausbreitete. Der Engel hielt abrupt an. »Ich kann dort nicht hingehen«, rief er hinter ihr her.
    Ash hielt an, drehte sich um, tänzelte wie ein nervöser Gaul. »Wir müssen hier weg«, schrie sie. Wie zur Bekräftigung schlug dicht neben ihnen zischend ein Blitz ein und ließ eine Salve von Steinsplittern und Funken auf sie niederprasseln.

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