Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Projekt Armageddon

Projekt Armageddon

Titel: Projekt Armageddon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
Vom Netzwerk:
sank in langsamen Spiralen zu Boden und mischte sich in den träge dahinfließenden Strom.
    Ash machte es ihm nach. Das Jucken des feinen Staubs war unangenehm, und sie sehnte sich nach einer Dusche.
    »Dorthin«, sagte sie knapp und zeigte zum Horizont, auf Azrael, dem sie inzwischen näher gekommen waren.
    Ravi folgte ihrem Finger. Er riss die Augen auf. »Du bist irre.«
    »Wieso hast du behauptet, ich wäre unmusikalisch?«
    Ravi kratzte sich. »Weil du es bist. Du singst so falsch, dass die Vögel vom Himmel fallen, und du hältst nie den Takt.«
    »Du erinnerst dich?« Ash hielt den Atem an.
    Er hielt inne. Sein Gesicht nahm einen abwesenden Ausdruck an. »Ja«, erwiderte er gedehnt. »Und nein. Es war ein Erinnerungsfunke. Kurz aufgeblitzt, gleich wieder erloschen. Kennst du das nicht?« Er sah sich wachsam um. »Wir sollten hier nicht stehen bleiben.«
    Ash setzte sich in Bewegung, und er folgte ihr. »Du willst wirklich dorthin? Das war kein Witz?«
    Sie schüttelte verbissen den Kopf. »Ich weiß, dass dort ein Durchgang sein muss.«
    »Glaubst du wirklich, dass man uns einfach so passieren lässt?«
    Sie blieb so abrupt stehen, dass er gegen sie prallte. Er stolperte, und Ash hielt ihn fest. »Hast du eine bessere Idee?«, fragte sie leise, ohne ihn loszulassen.
    Er nickte resigniert. Sein Blick wanderte zu ihrem Ziel. Sie waren schon so nahe, dass die monotone Stimme die Geräusche übertönte, die vom Feld kamen. »Wayan Kari – schwarz. Ekua Nkrumah – weiß. Elžbieta Zieliñska – schwarz.«
    Ash sah Ravi an. »Also?«
    »Wir versuchen es.« Er klang nicht besonders zuversichtlich.
    Ash legte ihre Arme um ihn. »Ich weiß auch nicht, ob wir es schaffen«, flüsterte sie. »Aber ich will nicht zurück. Du?«
    Er warf einen Blick über seine Schulter. Weit hinter ihnen erstrahlte das Lager der Hellen. Dann sah er Ash an. Sein gehetzter Blick wurde sanft. »Nein«, sagte er und erwiderte ihre Umarmung. Sie blieben eine Weile so stehen. Sein Atem strich über ihre Wange. Ash drehte den Kopf und küsste ihn auf den Mund. Seine Lippen schmeckten nach Asche und Blut, aber sie waren weich. »Wir schaffen es«, sagte sie mit mehr Zuversicht, als sie verspürte.
    »Dann lass es uns wagen.« Seine Flügel schimmerten in der Dunkelheit. Er stieg auf, geschmeidig und ruhig wie ein großer, eleganter Vogel.
    Azrael ragte über ihnen auf wie ein düsterer Berg. Ash sah in der Dämmerung die Bewegung, die seine Feder über dem gigantischen Buch vollführte, und musste an sich halten, um nicht eine Kehre zu fliegen. Warum versetzte sie dieser harmlose Anblick so sehr in Angst und Schrecken?
    Ravi flog mit gleichmäßigem Flügelschlag neben ihr her. Er sah zu ihr hinüber und hob den Daumen. Ash schluckte ihre unerklärliche Angst hinunter und zwang sich zu einem Lächeln.
    Sie blieben dicht über dem Boden, weil dieser Teil des Geländes vom Feld aus gut einzusehen war. Bis jetzt schützte sie die Dunkelheit, aber der Himmel begann bereits heller zu werden. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis jemand kam, um die neuen Schafe zu holen, und bis dahin sollten sie besser von hier verschwunden sein.
    »Wo probieren wir es?«, hörte Ash Ravi rufen.
    Sie runzelte die Stirn. »Lass es uns durch die Beine versuchen. Da kommen die Schafe heraus, also müsste dort der Durchgang sein.«
    »Klingt plausibel. Vielleicht ein bisschen zu plausibel.«
    Das fand Ash auch, aber sie hatte keinen besseren Vorschlag, obwohl irgendwo in ihrer Erinnerung etwas zuckte, bohrte und nagte. Nicht die Beine. Nicht die Beine? Nein, nicht diese Seite! Sie mussten es auf Azraels Rückseite versuchen!
    Ravi näherte sich mit schnellen Flügelschlägen der Öffnung, die Azraels gespreizte Beine bildeten. Menschen krochen und taumelten daraus hervor, über und hinter ihnen war es dunkel.
    »Warte«, rief Ash, »wir machen einen Fehler!«
    Ravi wandte den Kopf, sie sah seine fragende Miene, aber noch ehe sie ihre Warnung erklären konnte, unterbrach Azrael seinen eintönigen Monolog und stieß einen donnernden, über die Ebene hallenden Alarmruf aus. Die Schafe kreischten und hielten sich die Ohren zu, warfen sich zu Boden, einige rannten in kopfloser Flucht den Hügel hinunter.
    Aus dem Lager starteten Harpyien und Flügelpferde.
    Ash fluchte. »Verstecken«, schrie sie. Sie hörte, wie Ravi »Halleluja, Hosianna und zugenäht«, brüllte. Zu jedem anderen Zeitpunkt hätte sie darüber gelacht, aber jetzt war ihr das Lachen gründlich

Weitere Kostenlose Bücher