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Projekt Armageddon

Projekt Armageddon

Titel: Projekt Armageddon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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mischen. »Hel * ist ein stures Weib, genau wie ihre Mutter. Du weißt, dass sie keinen ihrer Gäste jemals wieder freigibt.«
    Der Wanderer öffnet den Mund, schließt ihn wieder, schluckt die Worte hinunter: Hel ist verschwunden, ihr Reich verlassen. »Du kommst nicht mehr viel herum, oder?«, sagt er statt dessen. Die Ironie ist so deutlich wie die Narben in Lokis Gesicht.
    Der Rote zuckt die Schultern. »Wozu auch? Ich habe hier alles, was ich brauche.« Er beugt sich vor, nimmt eine Gabel aus der Lade, bricht ein Stück Brot ab, beginnt zu essen. »Das ist gut«, sagt er kauend. »Willst du nicht doch etwas abhaben?«
    Der Wanderer hebt ablehnend die Hand und schenkt sich von dem Wein nach. Er sieht Loki beim Essen zu, betrachtet ihn wie einen Fremden. Schwerer ist er geworden, der leichtfüßige Feuergeist. Das Lachen ist aus seinem Fuchsgesicht verschwunden, die Augen sind dunkler, ihr Blick nicht mehr keck und herausfordernd, sondern in sich gekehrt. Das ehemals flammrote Haar dämpft ein grauer Schleier, als glühe es unter einem Mantel von Asche.
    Der Rote blickt auf. Er sieht des Wanderers Blick und liest ihn wie Geschriebenes. In seinem Gesicht arbeitet es. Er grinst, und der junge Fuchs feixt aus seinem Gesicht. »Denkst du, nur du wärst alt und grau geworden?«, lacht er. »Mein Lieber, ich denke, du isst nicht genug Obst!«
    Die Spitze trifft. Der Wanderer zuckt zurück wie vor einer funkensprühenden Lohe. »Das war unnötig«, sagt er getroffen. »Idun hat uns als erste verlassen.«
    Loki hebt die Braue. »Was habe ich doch für ein Glück«, spottet er. »Ihr habt mich immer knapp gehalten mit Iduns goldenen Äpfeln. Jetzt vermisse ich sie nicht gar so arg wie du, alter Graubart.«
    Der Wanderer will auffahren, aber dann lehnt er sich zurück, hebt das Glas an die Lippen, zwinkert und trinkt.
    Der Rote erwidert das Zwinkern. »Du hast dich auch verändert«, sagt er nachdenklich. »Früher hättest du meine Neckerei nicht so gelassen hingenommen.«
    Jetzt ist es der Wanderer, der seine Schultern hebt und wieder fallen lässt. »Ich war jung und ungeduldig«, sagt er.
    »Das waren wir«, stimmt der Rote zu. »Ungeduldig, hitzig, zornig, schnell gekränkt und schnell wieder versöhnt. Unbedacht.« Das letzte Wort flüstert er. Er legt das Gesicht in die Hände.
    Der Wanderer nickt bedächtig. »Unbedacht«, wiederholt er seufzend. Er beugt sich vor, stemmt sich aus dem Sitz, greift nach seinem Hut.
    »Willst du schon gehen?« Loki hält ihn am Ärmel fest. »Die Unrast ist dir geblieben, Schweifer.«
    »Ich denke, ich habe erfahren, was ich wissen musste. Du bist es wohl nicht, der mich jagt.« Sein Blick trifft den Roten, nagelt ihn fest. »Allerdings, deine Sippe, die Riesen …«
    Loki schnaubt. »Meine Sippe so gut wie die deine«, erwidert er scharf. »Muspells * Söhne und die Hrimthursensind schon lange fort, Muspellsheim * und Niflheim verlassen. Deine alten Feinde haben dich längst vergessen.« Sein Blick verliert alle Härte, als er in das Gesicht seines Bruders blickt. Er klopft unbeholfen auf dessen Schulter. »Wir sind nicht mehr wichtig für die da draußen«, sagt er leise. »Niemand schert sich außer dir noch um Ragnarök. Lass die Welt gehen, Odin. Mach es wie ich. Such dir ein Plätzchen, in dem die Sonne für dich scheint und der Mond sich nach deinem Willen richtet, und vergiss die Welt, wie sie dich vergessen hat.«
    »Danke für deinen Rat, der so vergiftet ist wie alle deine Ratschläge, Loki Schlangenvater«, knurrt der Wanderer und stülpt den Hut auf den Kopf. Er zieht die Krempe herab und bedeckt das linke Auge. »Ich werde meine Enkeltochter finden, und wenn ich dafür den PLAN aufsuchen muss.«
    Der Rote zuckt zurück, als hätte der Wanderer ihn gebissen. »Der PLAN – du musst den Verstand verloren haben, Odin, mein Bruder! Niemand, der noch bei Verstand ist, sucht den PLAN auf!«
    Der Wanderer öffnet die Tür. »Ihr mögt mich für verrückt halten«, sagt er leise. »Ich bin fest davon überzeugt, dass einer meiner Feinde noch unter Yggdrasils Krone wandelt und auf meinen Untergang sinnt. Ich werde ihn finden und vernichten.« Er schließt die Tür und ist fort. Hinter dem Haus bellt Hels großer Hund.
    Loki sitzt am Tisch, das Kinn in die Hand gestützt, blickt sinnend auf die geschlossene Tür. Ein spöttisches Lächeln spielt um seinen Mund. Er wartet.
    Sich nähernde Schritte, schwer und unwillig, knirschen über den Kies. Die Tür schwingt auf. Die mächtige

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