Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Projekt Armageddon

Projekt Armageddon

Titel: Projekt Armageddon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
Vom Netzwerk:
zernarbter Fläche. Ein rußgeschwärzter Ofen, in dessen Maul kalte Asche liegt, daneben ein blinkender, moderner Gasherd. Kupferne Töpfe schimmern matt an der Wand, im Rauchfang hängen Würste und ein Schinken, in einem Schrank stapelt sich angestoßenes Geschirr. Er schmunzelt, wischt mit der Hand über sein Gesicht. Schon wieder eine Küche.
    Die Tür schwingt heftig auf. Der Rote tritt ein, er hält eine Traube feucht glänzender Tomaten und ein Bündel saftig grüner Kräuter in der Hand. Wortlos geht er zum Spülstein, dreht Wasser auf, wäscht die Tomaten, schüttelt die Kräuter trocken, beginnt sie mit einem riesigen Messer zu hacken.
    »Isst du immer noch nichts?«, fragt er, ohne sich umzuwenden. »Nimm dir was zu trinken. Rechts, in der Truhe.«
    Der Wanderer steht auf, öffnet die Truhe. Zwei Krüge, aus denen es betäubend nach Apfelmost duftet, lässt er stehen, riecht an einem dritten – Met -, verzieht das Gesicht und wählt einen vierten Krug. Er greift ein Glas aus dem Schrank und schenkt sich ein.
    Der Rote lacht. »Lass mich raten.« Er schneidet die Tomaten in dicke Scheiben.
    Der Wanderer kostet den roten Wein, leckt sich über die Lippen, nickt anerkennend. »Der ist gut.«
    Der Rote hackt nun Zwiebeln. Das Messer schlägt laut auf den zernarbten Tisch. »Was suchst du hier?«
    Sein Gast beugt sich vor, legt die Hände auf den Knien zusammen. »Ich bin auf der Suche nach dem, der mich vernichten will«, antwortet er geradeheraus. »Bist du es?«
    Das Messer verstummt. Der Rote steht abgewandt, seine Schultern gespannt, die Muskeln in seinem Nacken treten hervor. Der Wanderer sieht, wie sich die Hand des anderen fester um den Messergriff schließt. »Bist du gekommen, um mich zu töten?«, fragt er, ohne die Stimme zu heben. »Ich habe dir Gastfreundschaft gewährt. Du trinkst meinen Wein.«
    Der Wanderer lässt ihn einige Atemzüge lang zappeln. Der Rote fürchtet den Speer zwischen seinen Schulterblättern, aber er fleht nicht, bettelt nicht um sein Leben, versucht nicht zu fliehen. Er steht und wartet.
    »Früher hättest du versucht, mich zu beschwatzen, Loki mit der goldenen Zunge«, sagt der Wanderer schließlich. Seine Stimme verrät so wenig von dem, was ihn bewegt, wie die seines Gegenübers, aber dennoch entspannen sich dessen Schultern und ein leises Ausatmen zeigt, dass er die Luft angehalten hat. Er schiebt die Zwiebeln mit der Klinge in eine Schüssel und wirft die Tomaten hinterher. Dann dreht er sich zu seinem Gast um. Das Messer blinkt im hellen Licht, das von der Seite durch das kleine Fenster fällt. Jetzt sieht der Wanderer das Gesicht des Roten zum ersten Mal deutlich vor sich. Er sieht die grausamen Narben, die das Gift der Schlange hinterlassen hat, und presst die Lippen zusammen. Der Rote fährt mit der Hand zu seiner Wange, seine Augen blitzen zornig. Dann legt er das Messer fort, breitet die Arme aus, lächelt, und für einen kurzen Augenblick strahlt das vergangene funkelnde, lachende, tanzende Feuer aus seinem Blick. »Sei mir willkommen, Bruder«, sagt er. »Es ist lange her.« Vergessen? Vergeben?, fragt sein Blick.
    Niemals vergessen, unmöglich zu vergeben, gibt die düstere Miene des anderen zur Antwort. Aber seine tiefe, grollende Stimme erwidert nur knapp: »Ja.«
    Der Rote, Loki, zieht einen Schemel unter dem Tisch hervor und setzt sich dem Wanderer gegenüber. Er beugt sich vor. »Warum glaubst du, dass jemand dich vernichten will?«, fragt er nüchtern. »Wir sind doch schon lange nicht mehr im Spiel, Odin. Die smarten Jungs sind am Ruder. Die Nahost-Connection.« Er kichert.
    Der Wanderer lächelt kurz, dann blickt sein Auge erneut düster auf den anderen. »Jemand plant Ragnarök. Und dieser Jemand hat mein Tochterkind getötet.«
    Der Rote legt den Kopf zurück, mustert seinen Gast voller Skepsis. »Ragnarök«, sagt er. »Wer soll denn dort kämpfen? Es sind doch alle schon tot.« Er hebt die Hand, schaut sie an wie etwas Fremdes. »Deine Söhne, Thor und Heimdall. Nach der Weissagung sollte Heimdall * mich erschlagen – oder meinen fürchterlichen Sprössling, den Fenriswolf? Ich habe es vergessen. Und wo ist dein Thor mit seinem Hammer, um die Midgardschlange zu töten?«
    Ein Muskel zuckt im Gesicht des Wanderers. »Sie sind beide fort«, sagt er. »Wie alle. Nur wir sind noch hier, du, ich, die Wala. Jetzt muss ich einen Weg finden, mein Tochterkind von den Toten zurückzuholen.«
    »Vergiss es.« Loki steht auf und beginnt, den Salat zu

Weitere Kostenlose Bücher