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Projekt Armageddon

Projekt Armageddon

Titel: Projekt Armageddon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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Lautsprecher knackte und gab furzende Geräusche von sich. Dann spielte er dreizehn Mal hintereinander »Jingle Bells«.
    Ash schlug ihren Hinterkopf gegen die Wand. Einmal, zweimal, dann zählte sie nicht mehr mit.
    Sie sprang auf, als die klingelnden Glöckchen in die nächste Runde gingen, stürmte zur Tür, riss sie auf und stand auf dem Gang. Ihre Knie zitterten, ihre Hände waren schweißfeucht.
    Ash rannte. Rannte immer schneller. Die eitergelben Wände, die Milchglastüren, die Neonröhren rasten an ihr vorbei, über sie hinweg. Sie glaubte zu stehen, aber ihr Atem pfiff, ihre Lunge stach, ihr Herz schlug rasend schnell. Dafür, dass ich tot bin …, dachte sie und blieb stehen. Beugte sich vor, die Hände auf den Knien, keuchte, rang nach Luft.
    Als sie sich wieder ihrer Umgebung bewusst wurde, stand ein kleiner, grauhäutiger, grauhaariger Mann in einem grauen Anzug neben ihr, geduldig wartend, ein Klemmbrett in der Hand. »Fraxinus, Ashley?«, fragte er.
    Sie nickte stumm, ungläubig. Ein anderer Mensch. Ein so beruhigendes Requisit wie ein Klemmbrett. Alles wird gut.
    Dann sah sie die Augen des Mannes und die grünlichen, spitzen Nägel an seinen Händen und zuckte zurück. »Dämon?«, fragte sie beklommen.
    Der kleine Mann blinzelte mehrmals verdutzt. »Natürlich«, sagte er. »Murgatroyd.«
    »Bitte?«
    »Murgatroyd«, wiederholte er. »Das ist mein Name. Murgatroyd von der Personalabteilung.«
    Ash konnte nicht anders, sie lachte. »Was ist denn das für ein Name?«, fragte sie. »Ich dachte, Dämonen heißen Behemoth oder Asmodeus oder Schub-Niggurath – und nicht Tom, Franz oder Harry.«
    Der kleine Dämon schien nun wirklich gekränkt zu sein. Seine gelben Augen blitzten empört. »Asmodeus und Behemoth«, schnappte er. »Sehe ich etwa aus, als wäre ich so ein vorsintflutliches Modell?« Er drehte sich um und ging davon.
    Ash beeilte sich, ihm zu folgen. Er war der erste Mensch – der erste Dämon, den sie seit einer halben Ewigkeit zu Gesicht bekam, und sie durfte ihn nicht wieder aus den Augen verlieren. »Ich wollte Sie nicht beleidigen«, sagte sie.
    Er zog schnüffelnd die Nase hoch. »Vorsintflutlich!«, wiederholte er. Ash hatte das deutliche Gefühl, dass er das nicht nur rein bildlich meinte.
    »Was wollten Sie von mir?«, versuchte sie ihn abzulenken.
    Er blieb stehen und blätterte in den Papieren auf seinem Klemmbrett. Seine grünen Klauennägel fuhren mit einem kratzenden Geräusch über das Brett. Ash schauderte.;
    »Hier«, sagte er nüchtern. »Ashley Fraxinus. Bei einem Fluchtversuch erwischt. Feld 235, Ausbilder Beleth.« Er blickte auf, sah sie mit schräggelegtem Kopf an. »Korrekt?«
    Ash erinnerte sich. »Verflucht«, sagte sie.
    »Γένοιτο – So sei es«, bekräftigte der Dämon feierlich. Er klemmte das Brett unter seinen Arm und wies den Flur entlang. »Wenn Sie mir bitte folgen würden.«
    Ash ging mit einem mulmigen Gefühl im Magen hinter ihm her. Murgatroyd schritt mit seinen kurzen Beinen erstaunlich kräftig aus. Sie gingen ein Stück den Gang hinunter, bogen um eine Ecke und gelangten in einen Bereich, der nicht mehr eitergelb, sondern leberfarben gestrichen war.
    Die Neonröhren flackerten immer noch, aber in einem warmen rötlichen Ton, der den Wänden etwas unangenehm Lebendiges verlieh. Ash ertappte sich dabei, dass sie sich bemühte, in der Mitte des Ganges zu bleiben, um bloß nichts zu berühren.
    Sie räusperte sich. »Wo sind wir?«
    Murgatroyd drehte sich nicht zu ihr um. »Grundsätzlich oder im Speziellen?«
    »Äh – grundsätzlich?«
    »In der Zentrale.«
    »Und im Speziellen?«
    »Gang 14 E, Drittes Untergeschoss, Nordsektor. Buchhaltung und Lager.«
    Ash sah sich um. Der Gang glich – bis auf die Farbgebung – aufs Haar dem, den sie nicht hatte verlassen können. Aber trotzdem war hier irgendetwas vollkommen anders, aber sie konnte es nicht festmachen. Es hatte etwas mit Zeit zu tun. Mit dem Verstreichen von Zeit. Oder mit Zeit überhaupt. Sie schüttelte den Kopf. »Wohin bringen Sie mich jetzt?«
    Murgatroyd blieb vor einer Tür stehen und betätigte einen Knopf, der violett aufleuchtete. »Es kommt darauf an«, sagte er. »Möchten Sie zurück ins Feld? Brennen Sie darauf, ihren Kameraden beim nächsten Kampfeinsatz mit Leib und Seele zur Seite zu stehen?«
    »Nein«, sagte Ash. »Ganz bestimmt brenne ich auf nichts dergleichen!«
    Die Tür gab ein läutendes Geräusch von sich und fuhr auf. Dahinter wartete eine Aufzugkabine –

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