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Projekt Armageddon

Projekt Armageddon

Titel: Projekt Armageddon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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Kreuzworträtseln. Eine ungelenke Hand hat mit einem schmierenden grünen Kugelschreiber sämtliche Rätsel ausgefüllt. Falsch. Völlig irrsinnig. »Nordische Götterfamilie«, vier Buchstaben. Antwort in verschmiertem Grün: ELSE. »Wurfspieß«, drei Buchstaben: MAI. »Unterwelt, Inferno«, sechs Buchstaben: EBENDA.
    Sie schleuderte die Zeitung durch den Raum, die vergilbten Seiten flatterten wie gebrochene Flügel, dann klatschte die Zeitung gegen die Wand und rutschte hinter einen Stuhl.
    Der Lautsprecher knackte, eine Stimme sagte deutlich: »Bratwurst.« Der Nummernkasten rappelte, warf die Nummer 17 aus.
    Ash stand auf und trat gegen den Tisch.
    Dann setzte sie sich wieder hin und suchte in ihren Taschen nach einer Zigarette. Einem Kaugummi. Einem Messer, um sich die Kehle durchzuschneiden.
    »New York, New York«, dudelte der Lautsprecher. Ash zählte die toten Fliegen auf dem zerschrammten Linoleum. Als sie bei Siebenundfünfzig angekommen war, rappelte der Lautsprecher los: »Krrrrrk, krrrax, Ashpfrrrtzzzzzaxinus.« Das Zischen und Krachen verstummte, die Musik leierte weiter.
    »Achtundfünfzig«, sagte Ash unkonzentriert. Hatte der Lautsprecher gerade ihren Namen zerkaut? Sie stand auf, ging zur Tür, legte die Hände an die Milchglasscheibe, ihre Stirn auf die Hände, versuchte, etwas zu erkennen.
    Sie setzte sich wieder. Lehnte sich gegen die Wand, kippelte mit dem Stuhl, suchte nach einer Zigarette. Ließ den Stuhl auf alle vier Beine knallen und beugte sich vor. Griff nach dem Reader's Digest und blätterte ihn von hinten nach vorne durch. Las die Artikel »Lernen Sie Nein zu sagen« und »Versalzene Speisen retten«, Omas Rezept für Wadenwickel und eine Anekdote »Aus Kindermund«, stöhnte, warf die Zeitschrift der anderen hinterher. Beugte sich vor, krallte die Hände ins Haar. Es ist zu lang, dachte sie. Kinnlang, beinahe. Wann ist es gewachsen, ich bin doch tot.
    Der Gedanke traf sie wie Thors Hammer, sie glaubte, Sterne zu sehen. »Ich bin tot«, sagte sie laut, um sich zu vergewissern, dass sie sich den Gedanken nicht nur eingebildet hatte. »He, ich bin tot. Was mache ich hier?«
    Der Nummernkasten röchelte erstickt und hustete eine neue Zahl aus: 875. Der Lautsprecher krackste und knatterte, dudelte dann weiter.
    Ash stand auf, ging zur Tür und öffnete sie. Verließ das Wartezimmer, schloss die Tür hinter sich, stand in einem langen, glänzend eitergelb gestrichenen Flur mit flackernden Neonröhren und dicht gereihten Mattglastüren.
    Sie zitterte und klemmte ihre Hände in die Achselhöhlen. Sie sollte nicht hier stehen, sie sollte dort drinnen sitzen und warten, bis ihre Nummer aufgerufen wurde. Es war falsch, das Zimmer zu verlassen. Sie würde bestraft werden. Sie würde sich hinten wieder einreihen und ganz von vorne zu warten beginnen müssen.
    Ash biss die Zähne aufeinander und zwang ihre Beine, sie ein paar Schritte den Gang hinunter zu tragen. Dann drehte sie sich um, blickte die Tür an, durch die sie gekommen war. Versuchte, die Tür anzublicken, denn sie wusste nicht mehr, welche es war. Sie atmete auf, nahm die Hände herunter, steckte sie in ihre Jackentaschen. Eine Zigarette wäre jetzt wirklich toll.
    Sie drehte sich um und ging den Gang weiter hinunter. Die Neonröhren glitten über ihrem Kopf nach hinten, die Türen rechts und links flossen an ihr vorbei, unter ihren Füßen schob sich das Linoleum davon.
    Irgendwann vermeinte sie, auf der Stelle zu laufen, zwischen Kulissen, die auf lange Streifen gemalt neben ihr abrollten. Sie blieb abrupt stehen und glaubte im Augenwinkel zu sehen, dass die Wände weiterliefen.
    Eine Weile vergnügte sie sich damit, zu gehen, zu rennen, plötzlich zu stoppen, um die Kulissen damit zu übertölpeln. Aber wer auch immer hinten an den Kurbeln drehte – er war gut!
    »Verdammt«, fluchte Ash. Leise Stimmen, wie Engelschöre in den Lüften, sangen »Γένοιτο * «. Ash lauschte dem Chor fasziniert, bis er verklang. Dann wendete sie sich entschlossen zu der Tür, die rechts von ihr stehen geblieben war, packte die Klinke und drückte sie herunter.
    Ash saß in einem gallegrün gestrichenen Raum mit Fliegenleichen und zerlesenen Zeitschriften, einem dudelnden Lautsprecher, sterbendem Gummibaum und billigen Plastikstühlen. An der Wand ein Nummernkasten, der hartnäckig die Zahl »42« zeigte. Sie drehte gelangweilt Locken in ihre viel zu langen Haare – mehr als schulterlang. Wie konnte das sein? Sie war doch tot?
    Der

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