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Projekt Armageddon

Projekt Armageddon

Titel: Projekt Armageddon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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sieht ihn an. Sieht das bleiche Gesicht, das Haar staubgrau und rot, das in der schweißfeuchten Stirn klebt, sieht den Schmerz in den Winkeln der geschlossenen Augen und des zusammengepressten Mundes, der immer noch einen Schrei zwischen den Lippen gefangen hält.
    Odin senkt den Kopf, lässt einen langen Atemzug entweichen, wischt die Hand am Mantel ab, an der das Blut Lokis zu trocknen beginnt. Mag jener nun ein Verräter sein oder nicht – Er kann den Bruder nicht töten.

13
    Fürchte dich nicht vor dem, was du noch erleiden musst.
Der Teufel wird einige von euch ins Gefängnis werfen, um euch auf die Probe zu stellen,
und ihr werdet in Bedrängnis sein, zehn Tage lang.
    W enn Ash hätte definieren müssen, was ihr Dasein nach dem Ende ihrer irdischen Existenz vor allem kennzeichnete, dann hätte sie es in zwei Worten zusammengefasst: »Staub« und »Langeweile«.
    Sie kniete vor dem schier unerschöpflichen Regal in Archiv 2498 und stapelte dünne Aktenordner auf einen klapprigen Rollwagen. Jeder dieser Ordner enthielt belanglose Details aus belanglosen Leben, oder, noch schlimmer, Notizen eines Sachbearbeiters zu belanglosen Details irgendwelcher beendeter Existenzen. Die Zentrale war nichts weiter als ein riesiger, staubiger, um sich selbst kreisender Apparat aus unwichtigen, uninteressanten, von hier nach da geschobenen Akten, Aktennotizen, Vermerken und Vorgängen. Wenn dies die Hölle war, dann war sie perfekt.
    Ash richtete sich auf, warf den letzten Stapel aus diesem Regal auf den Wagen und wischte sich über das Gesicht. Staub, Staub, sowie Staub und Spinnweben. Sie sah einer kleinen, hellgrauen Spinne dabei zu, wie sie sich verbissen am Regal emporarbeitete, um auf Ashs Augenhöhe hängen zu bleiben und ihren Blick zu erwidern. »Na, Spinne?«, sagte Ash amüsiert. »Sei bloß vorsichtig, dass Murgs dich nicht erwischt. Der isst alles.«
    Die Spinne schien ihre Worte zu verstehen, denn sie kletterte hastig über einen Ordner und war verschwunden.
    »He, Ash«, sprach sie jemand an. Ash fuhr zusammen. Sie hatte nicht gehört, dass jemand eingetreten war.
    »Du hast eine Art, dich anzuschleichen«, sagte sie vorwurfsvoll. »Wirklich, Eldur, das ist nicht nett.«
    Der Hausmeister schenkte ihr eins seiner schartigen Lächeln. »Ich hab dich hier drinnen gehört«, sagte er. »Was hältst du von einer Pause?« Er hockte sich auf einen Karton, öffnete seine Tasche und zog eine verbeulte Thermoskanne heraus. Als er sie aufschraubte, stieg ein verlockender Duft nach Kaffee und etwas anderem aus ihrer Öffnung.
    »Wer könnte da widerstehen?« Ash und gab ihm ein Zeichen zu rücken. Sie schob sich neben ihn auf den Karton, der leise unter ihrem gemeinsamen Gewicht knirschte, und nahm den Becher entgegen. Sie trank, gab ihm den Becher zurück und leckte sich einen Tropfen von der Lippe. »Hm. Wo hast du diesen Cognac her? Den gibt es jedenfalls nicht in der Kantine.«
    Der Hausmeister trank und kratzte sich am Kopf, dass seine dunkle Mütze schief auf seinem Hinterkopf zu sitzen kam. »Ich hab meine Quellen«, erwiderte er.
    Ash lehnte sich an die Wand und betrachtete sein Profil. Er hatte sich ein paar Tage nicht blicken lassen, obwohl er zu Beginn fast jeden Morgen bei ihr im Büro gestanden hatte, um ein Schwätzchen zu halten. Also – sie redete. Er hörte zu. Und beantwortete gelegentlich sogar die eine oder andere Frage zur Zentrale und den Sitten und Gebräuchen dieses seltsamen Ortes. Ash wusste nicht, warum es so war, aber sie mochte den mürrischen alten Kerl gut leiden. Das war ihr im Grunde erst aufgefallen, als er den dritten oder vierten Tag nicht erschienen war, um seinen Morgenkaffee mit ihr zu trinken. Und jetzt saß er da, sogar noch wortkarger als sonst, und Ash fand, dass er angestrengt aussah. Irgendwie krank. Obwohl das hier in der Zentrale doch ausgemachter Blödsinn war. Dämonen wurden nicht krank, und Tote waren auch nicht unbedingt anfällig für eine Grippe oder Unfälle.
    »Geht es dir gut?«, fragte sie spontan.
    Er wandte den Kopf, sah sie erstaunt an. »Ja, sicher.« Er füllte erneut den Becher und drückte ihn Ash in die Hand. »Warum sollte es mir nicht gut gehen?«
    »Du siehst krank aus«, sagte Ash. »Aber es geht mich nichts an.« Sie streckte die Beine lang aus und starrte in den Becher. Auf der schwarzen Flüssigkeit schwamm regenbogenfarben ein öliger Schleier.
    »In meinem Alter hat man gelegentlich kleine Zipperlein«, erwiderte der Hausmeister. »Nichts

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