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Projekt Armageddon

Projekt Armageddon

Titel: Projekt Armageddon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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die Drohung lässt Loki erbleichen.
    »In deinem eigenen Interesse, frag mich nicht«, wiederholt er dennoch fest. Er strafft die Schultern, weicht Odins starrem Blick dieses Mal nicht aus. »Es betrifft dich nicht, Odin. Es geht dich nichts an. Geh deiner Wege, Droher.«
    Der Wanderer lächelt nicht über den alten Namen. Er runzelt die Stirn. »Ich traue dir nicht«, sagt er hart. »Du hast mich zu oft betrogen. Ich fühle, dass du mich erneut hintergehst.«
    »Immer ist Undank Loges Lohn«, murmelt der Feuergott. Er will einen Scherz machen, den Wanderer zum Schmunzeln bringen, das Misstrauen aus seiner Miene vertreiben. Aber der Scherz zerfällt zwischen ihnen zu Staub und Asche. Odins Miene bleibt düster.
    Loki versucht es erneut. »Ich betrüge dich nicht«, sagt er eindringlich. Er legt seine Hand auf den Arm des anderen. »Du musst mir vertrauen, ein einziges Mal noch. Ich bin auf deiner Seite, Odin, und werde es immer sein. Ich bitte dich, Bruder: Geh deiner Wege. Folge meinem Rat und suche nicht länger nach Feinden, die es nicht gibt. Du bist im Irrtum, Odin. Niemand will dich vernichten. Niemand ist an dir interessiert. Niemand erinnert sich an dich. Geh, lebe in Frieden, solange es dir und uns wenigen noch vergönnt ist. Unsere Zeit ist vorbei, mein Bruder, mein Freund.«
    Er spricht honigsüß und überzeugend. Der Wanderer zögert, leckt sich unschlüssig über die Lippen, wechselt den Griff um seines Speeres Schaft. Lokis Blick flackert an dem Holz empor. Es ist kein Stock mehr, der da über seinem Kopf aufragt. Eine matt glänzende, scharfe Spitze ziert das Ende des schlanken Holzes.
    Odin sieht den Blick, schüttelt Lokis einlullende Rede ab wie einen schweren Traum. Er stößt schwer atmend einen Fluch aus, der den Wind auffrischen lässt. »Lügenschmied«, zischt er und hebt den Speer zum Stoß.
    Loki wendet sich zur Flucht, aber zu spät. Gungnir durchstößt seinen Leib und schmettert ihn mit Wucht an Yggdrasils Stamm. Er heult auf und krallt nach dem Holz, das ihn durchbohrt. Blut rinnt über seine greifenden, reißenden Finger. »Verflucht, Odin«, schreit er. Sein Atem zischt über die Lippen, die er in Qual verzerrt. »Was tust du, Bruder?«
    Der Wanderer weicht zurück, erschreckt über seine Tat und doch überzeugt, das Rechte getan zu haben. »Du hast mich belogen und verraten«, wirft er Loki vor, der aufhört, an dem unnachgiebigen Speer zu zerren und ziehen. Helle Tränen laufen ihm über das Narbengesicht, er wimmert und keucht in Schmerz und Todesangst
    »Ich habe dich nicht belogen«, stößt er hervor. »Odin, mörderischer Bruder, glaube meinen Worten: Niemand will dich vernichten, niemand verfolgt dich. Du bist Niemand, alter Gott. Niemand!« Er heult und windet sich vor Schmerz und Angst. »Nun töte mich schon«, schreit er und spuckt blutigen Schleim vor des Wanderers staubige Stiefel. »Weide dich nicht an meinen Qualen, Mordbruder. Töte mich und vernichte den Einzigen, der dir helfen könnte, deinem Schicksal zu entgehen.« Er wischt mit blutiger Hand die Tränen von seinen Wangen.
    »Du!«, sagt Odin voller Verachtung. Er packt Gungnirs Schaft, dreht ihn, dass der Aufgespießte laut schreit, und zieht den Speer mit einem Ruck aus Baum und Fleisch. Knochen knirschen und brechen, Fleisch und Sehnen zerreißen, Blut schießt in heißem Schwall aus der Wunde.
    Der Feuergott fällt zu Boden, von Sinnen vor Schmerz, aus der zerschmetterten Schulter fließt stetig das Blut und tränkt Yggdrasils Wurzel. Loki kniet in seinem Blut, zu schwach zum Schreien. Er blickt auf, fleht stumm um den Gnadenstoß.
    Odin presst die Lippen zusammen, wendet sich ab, will gehen. Will den Lügenschmied liegen lassen, wo er liegt, in seinem eigenen Blut, den Raben zum lebendigen Fraß.
    »Odin«, flüstert Loki. Nicht mehr.
    Der Wanderer stößt einen erbitterten Laut aus, schlägt Hand in Hand. Dann wendet er sich heftig dem Bruder zu, kniet neben ihm nieder, ein Fläschchen erscheint in seiner Hand. Er zieht den Korken mit den Zähnen heraus, sagt: »Halt still« und gießt den Inhalt, Wasser aus Urds Quelle, auf die zerschmetterte Schulter. Loki schreit, als wäre es brennende Lohe, die aus der Flasche fließt, und sinkt in Odins Armen zusammen.
    Knochen erinnern sich, Fleisch erinnert sich, Blut erinnert sich, Gefäße erinnern sich. Der Wanderer beobachtet mit stummem Grimm, wie sich die Wunde schließt.
    Er lässt den Bruder zu Boden gleiten, bettet ihn an Yggdrasils Stamm. Steht da und

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