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Projekt Armageddon

Projekt Armageddon

Titel: Projekt Armageddon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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»Er hat mich behandelt wie einen tapprigen Greis, der sabbernd, mit wackelndem Kopf vor ihm sitzt. Er – ein Subalterner! Ein Handlanger! Ein Kind!« Er wirft den Kopf in den Nacken und brüllt seinen Zorn zum Himmel empor.
    Sie schließt die Augen, plötzlich wissend. »Du hast es wirklich getan«, flüstert sie. »Du hast den PLAN aufgesucht.« Um ihre Lippen zuckt es. Sie beißt die Zähne zusammen, aber ein Wimmern entflieht ihrem geschlossenen Mund. Sie schlägt die Hand vor die Lippen, wendet das Gesicht ab, aber zu spät.
    »Du lachst mich aus, Weib?«, donnert der Allvater. Seine Augen schleudern Blitze.
    Sie kann es nicht mehr zurückhalten, sie lacht laut heraus. Wiegt sich vor und zurück, wischt die Tränen vom Gesicht, legt ihre Arme um ihn und küsst ihn, küsst den Zorn aus seinen Falten, die Kränkung aus seinen Augen, die Bitterkeit von seinen Lippen.
    Sie sitzen nebeneinander, die Hände verschränkt, und die rote Glut beleuchtet ihre Gesichter. Jörd sieht zu ihm hin. Müde sieht er aus, müde und traurig. Aber er füllt seinen Körper wieder aus, die Kleider schlottern ihm nicht mehr um geschrumpfte Glieder, seine Haut liegt straff über mächtigen Knochen. Sie lächelt und drückt seine Hand.
    Er nickt stumm und zieht den Atem zischend ein. »Geh nach Hause, alter Mann, hat er zu mir gesagt, der junge Fant, der unverschämte Knabe.« Er schlägt voll Grimm mit der Faust auf sein Knie. »Wir gehören nicht mehr zum PLAN. Niemand schert sich darum, ob es uns gibt oder nicht. Unser Sein berührt die Wirklichkeit nicht mehr. Die Welt ist an uns vorübergegangen. Wir sind der Abfall, der Kehrichteimer der Geschichte. Jörd, ach, meine Wala. Die Welt hat sich weiterbewegt und uns zurückgelassen.« Seine Lippen schließen sich, verzerrt wie über einem sauren, bitteren Geschmack, der seinen Mund ganz und gar ausfüllt.
    Sie streichelt seinen Handrücken, gedankenverloren, ihr Blick starrt ins Dunkle. Die Augen sind schwarz und voller Glanz. »Lieber, das hat sie schon lange«, erwidert sie langsam. »Du hast es nicht wahrhaben wollen und deine Augen davor verschlossen. Aber schau dich um. Meine Töchter, die Nornen * – ich habe sie schwinden sehen. Sie wurden zu körperlosen Geistern vor meinem eigenen Blick. Ich bin es nun, die Yggdrasil tränkt, auf dass die Weltesche lebe.« Ihr Blick ist starr, das Gesicht wie Stein, nur die Lippen bewegen sich sacht, entlassen das hauchende Flüstern.
    »Idun, die erste, die uns verließ. Mit ihren Äpfeln schwand uns die Jugend. Unser Sohn, der Donnerer, Thor mit dem Hammer. Verblichen, vergangen, zu Nebel geworden. Heimdall und Gefjun, Frigg und Freyja, Dellingr und Hermod, Freir und Forseti – vergangen, entschwunden. Nur wir sind noch da. Die Starrköpfigen, Sturen, die nicht sehen wollen und nicht gehen können. Du, ich – Loki.«
    Odin spuckt aus. »Loki.« Der Name ein Fluch. »Sein Haus ist verlassen, der Herd ist kalt. Garm läuft frei durch die Wälder und heult mit den Wölfen. Loki ist tot und ich erschlug ihn.«
    »Odin!« Sie schreit. Ihr Kopf fällt in den Nacken. Ihre Augen, geweitet, starren zu rußschwarzen Balken und sehen sie nicht.
    Er ruft ihren Namen, reibt ihre Hände. Sie antwortet nicht. Ihre Lippen verzerren sich, entblößen die Zähne. Ihr Atem keucht, pfeift, röchelt, erstirbt.
    »Dunkel«, dringt ihre Stimme tief aus der Brust, heiser, gequält, die einer Fremden. »Dunkel und kalt. Ein Riese, das Haupt in den Wolken. Sturm um seine Glieder, Schnee auf seinen Schultern. Kein Mann, keine Frau. Breitbeinig, er steht über Urds Quelle, hoch ragt er auf, so hoch wie einst die Esche ragte. Sie ist verschwunden, Yggdrasil, die Weltschirmerin, die Grüne, die Lebende. Doch der Riese steht, und er bewacht die Welten. Mehr davon als je einer von uns kannte, als je unser Fuß betrat. Hell strahlend die Lichter, Farbenfächer, Weltenkranz. Fällt der Riese, stirbt das Licht, vergehen die Welten.« Ihr Atem, mühsam und hohl, erfüllt die Luft. Ihre Hand krallt sich in Odins Arm, und Blut quillt, wo ihre Finger sich in sein Fleisch bohren. Seine Knochen knirschen unter dem Griff, aber er zuckt nicht und weicht nicht zurück.
    »Was siehst du, Wala?«, flüstert er.
    »Der Riese wankt. Ein Feuerbrand fällt ihn. Sein Fall erschüttert die Welten. Die Himmel stürzen, die Sterne ersticken, der Mond zerfällt, die Sonne verlischt. Das Ende, ich sehe das Ende!« Ihr Schrei erstickt, sie bäumt sich auf, ihre Glieder zucken im Krampf.
    Er

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