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Projekt Babylon

Titel: Projekt Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Wilhelm
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etwas über die geheime Blutlinie erfahren hatte. So viel war in dieser kurzen Zeit geschehen, ein ganzes Weltbild hatte sich geändert.
    Michaut sah auf die Papiere vor sich. Bei seinem Eintreffen waren schon einige Unterlagen für ihn bereit gewesen. Das Ergebnis war jedoch ernüchternd. Der Orden war zwar namentlich bekannt und wurde sporadisch in verstreuten Quellen erwähnt – in Zeitungsausschnitten, amtlichen Dokumenten, Urkunden –, und es gab sogar ein Sachbuch dazu, aber in der Kürze der Zeit ließen sich die Informationsschnipsel nicht zusammenfügen oder bewerten. Es gab keine ausdrücklichen Belege, wo der Ursprung des Ordens lag oder welche Ziele er verfolgte. Und über einen Monsieur Plantard war überhaupt nichts Aussagekräftiges zu finden – es gab zu viele Plantards in Frankreich, und keiner schien eine Verbindung zum Orden von Zion offen zu bekunden.
    Michaut vertraute dem Grafen. Das war der einzige Grund, weswegen er sich nun mit einem ihm völlig Unbekannten traf, den er nicht einmal überprüfen konnte. Was konnte der Mann ihm erzählen? War es ein gutes Zeichen, dass über ihn nichts bekannt war? Deutete es darauf hin, dass er erfolgreich im Verborgenen agierte? Wenn das so war, war das gut oder schlecht für ihn – und für Frankreich?
    Es klopfte, dann öffnete sich die Tür zu seinem Büro, und ein Sicherheitsbeamter trat ein.
    »Monsieur le Président, Ihr Besuch ist da.«
    »Vielen Dank, bringen Sie ihn herein und lassen Sie uns allein.«
    Der Sicherheitsbeamte nickte und führte kurz darauf einen dünnen, alten Mann mit einem Kamelhaarmantel herein. Der Präsident stand auf und ging auf den Mann zu, während die Bürotür wieder geschlossen wurde.
    »Ich nehme an, Sie sind Monsieur Plantard. Es freut mich, dass Sie kommen konnten.«
    Der alte Mann schüttelte Michaut freundlich lächelnd die Hand. Seine Hände waren schmal und knochig, und sie wirkten viel zu groß. Unzählige Falten durchzogen die lederne Haut seines Gesichts, das trotz des hohen Alters den Ausdruck eines wachen und intelligenten Geistes trug. Ein leises Schmunzeln, funkelnde Augen und eine Nickelbrille verstärkten diesen Eindruck noch.
    »Es freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen, Monsieur Michaut.«
    Der Präsident zuckte innerlich zusammen, als er von dem Fremden so respektlos angesprochen wurde, dennoch bedeutete er dem Mann, sich in einen Sessel einer Sitzecke zu setzen, und nahm ebenfalls dort Platz. Auf dem Tischchen vor ihnen standen bereits Gläser, eine Flasche Wasser, sowie eine Schale mit Mürbegebäck.
    »Es mag Ihnen unverfroren erscheinen, wenn ich Sie nicht mit Ihrer offiziellen Amtsbezeichnung anrede«, begann Plantard, während er sich setzte und den Mantel dabei um sich schlug, als sei ihm kalt, »doch ich möchte damit anzeigen, dass ich Sie als Mensch respektiere und nicht nur wegen eines Präsidententitels. Monsieur le Président ist der Name einer Rolle, die auch schon viele vor Ihnen verkörperten. Aber ich möchte gerne mit Ihnen als Mensch reden. Zudem haben Sie auf diese Weise die Möglichkeit, fern jeden Protokolls mit mir zu reden. Die Sorgen oder Fragen, die Sie haben, äußern Sie als Mensch – dem Präsidenten jedoch würde ich mir nicht anmaßen, meine Hilfe oder meine Informationen anzubieten.«
    Michaut lehnte sich zurück und überdachte die Worte des Mannes. Mit wenigen Worten hatte Plantard die ersten Irritationen beseitigt und dabei einen vollendeten Hofknicks gemacht. Ein interessanter Mensch, gebildet und scharfsinnig. Er schätzte ihn aufgrund seines Aussehens auf mindestens siebzig Jahre – umso respektabler war seine geistige Frische.
    »Ich habe nichts dagegen, Monsieur«, antwortete der Präsident. »Da ich Ihre Position oder Ihre Geschichte nicht kenne, bleibt mir ebenfalls nichts anderes übrig, als Sie mit Monsieur Plantard anzureden.«
    »Viel gibt es über mich auch nicht zu wissen, wie Sie ohne Zweifel bereits herausgefunden haben.«
    »Ich muss gestehen, dass meine Versuche, Näheres über Sie in Erfahrung zu bringen, in dieser kurzen Zeit vergeblich waren. Vielleicht erzählen Sie daher zunächst etwas über sich?«
    »Gestatten Sie, dass ich rauche?«
    »Bitte.«
    Plantard zog ein silbernes Etui hervor, klappte es auf und bot Michaut davon an. Der winkte jedoch ab.
    Plantard entnahm dem Etui ein dünnes Zigarillo. »Wenn Sie sich gerade Gedanken über meine Gesundheit machen, kann ich Ihnen nur beipflichten. Aber in meinem Alter kommt es nicht mehr darauf

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