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Projekt Babylon

Titel: Projekt Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Wilhelm
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stand eine Gestalt in schwarzer Kutte. Der Mann hielt mit der linken Hand die zusammengebundenen Beine eines schwarzen Hahnes. Die Flügel waren offenbar ebenfalls fixiert, dennoch zappelte das Tier nach bestem Vermögen.
    Als der Gesang in einem plötzlichen Aufschrei seinen Höhepunkt erreichte, vollführte der Mann mit der rechten Hand eine blitzschnelle Bewegung. Etwas Schwarzes wurde zur Seite geschleudert. Peter erschrak. Es war der Kopf des Hahns. Er hatte dem Tier den Kopf abgeschlagen! Der Vogel zuckte nun spastisch, Blut spritzte aus seinem Hals, ergoss sich über den Altar. Dann umfasste der Mann den Körper des Hahns mit der anderen Hand, hielt ihn fest und vollführte kreisende Bewegungen. Dabei hinterließ er überall auf dem makellosen Weiß des Steins eine leuchtend rote Spur, bis der Hals des Tiers nach einer Weile aufhörte zu pulsieren und zu sprudeln und der ehemals reine Altar über und über mit glänzendem Blut besudelt war.
    Übelkeit stieg in Peter auf, er musste die Augen schließen und durchatmen. Mochte er über die Satanisten auch gelächelt haben – diesen Leuten war es ganz offenbar sehr ernst!
    »Wunderbar, nicht wahr?«
    Peter fuhr zusammen und sah auf. Ash Modai stand neben ihm auf dem Absatz.
    »Ist es nicht eine wunderbare Halle, Peter? Ich darf Sie doch Peter nennen?«
    »Was sind das hier für kranke Menschen?«
    »Das Kreuzgewölbe ist aus dem zwölften Jahrhundert, hätten Sie das gedacht? Und noch immer stark und unerschütterlich. Die ersten Katakomben haben wir in den sechziger Jahren gekauft. Wir haben sie ausgebaut, verschüttete Gänge wieder passierbar gemacht und sie im Laufe der Zeit mit allen anderen Kellern und Katakomben verbunden, die wir über Mittelsmänner ebenfalls erworben haben. Mittlerweile kann die Stadtverwaltung von Albi keinen Spatenstich mehr tun, geschweige denn Kabel verlegen oder Sielarbeiten vornehmen, ohne uns um Genehmigung zu bitten. Selbstverständlich weiß niemand, dass all dies in einer einzigen Hand ist.«
    »Albi! Wir sind in Albi... ausgerechnet hier.« Peter dachte an Albi als Hochburg der Ketzer und an die Albigenserkreuzzüge.
    »Ja, ist das nicht komisch?«, sagte Ash Modai. »Eine köstliche Ironie. Aber ich neige nicht zu so viel Selbstgefälligkeit, zu behaupten, es sei Absicht gewesen. Es bot sich einfach an.« Er beugte sich ein wenig zu Peter herüber, jedoch so, dass Peter ihn mit seinen angeketteten Gliedmaßen nicht erreichen konnte. »Ehrlich gesagt«, raunte er ihm zu, »glaube ich nicht, dass das damals überhaupt jemand aufgefallen ist.«
    »Was soll das Theater, was wollen Sie von mir?«
    »Aber Peter, wie oft soll ich es Ihnen noch sagen? Es geht um die Höhle.«
    »Aber ich habe Ihnen doch schon gesagt...«
    »Schschsch...! Ganz ruhig, Peter. Ich weiß, was Sie durchmachen. Bemühen Sie sich nicht. Ich glaube Ihnen sowieso nicht. Daher habe ich mir etwas anderes ausgedacht.«
    Peter antwortete nicht. Er überlegte fieberhaft, wie er in diese Situation gekommen war und wie er wieder herauskommen sollte. Was hatte Ash Modai vor? Was war das überhaupt für ein Spinner? Bestimmt war sein wirklicher Name ganz banal, und tagsüber arbeitete er als Kassierer im Supermarkt. Wie um alles in der Welt war es möglich, dass dieser Mann Macht über ihn haben konnte? Es war einfach absurd.
    »Übrigens finde ich Ihre Bücher hochinteressant«, fuhr Ash Modai fort, »ich glaube, das hatte ich Ihnen noch gar nicht gesagt. Sie sind fundiert, greifen so viel weiter als vergleichbare Untersuchungen. Und auch Ihre Schlüsse und die Verbindungen, die Sie ziehen, sind bisweilen... gewagt. Mutig, aber genial. Nur leider... leider haben Sie dennoch in einigen Dingen Unrecht. Es ist wirklich schade, denn zum Teil sind es grundlegende Inhalte. Dadurch bleiben Ihnen ganze Bereiche verschlossen, oder Sie kommen zu gegenteiligen Ergebnissen ...«
    »Worauf wollen Sie hinaus?«
    »Sie verleugnen das Metaphysische. Oder nennen Sie es das Übernatürliche, also das, was nicht in die natürliche, realwissenschaftliche Welt passt. Doch wie viele Ihrer Untersuchungen kämen zu einem anderen Ergebnis, wenn Sie als Faktor das Vorhandensein des Übernatürlichen einbezögen?«
    »Ich bitte Sie! Ist das die Folter, die Sie mir jetzt angedeihen lassen wollen? Mich mit Ihren spirituellen Ansichten zu Tode zu langweilen?«
    »Ich weiß, Sie können es nicht verstehen. Aber dafür habe ich Sie ja auch hergebracht. Ihre Beleidigungen prallen an mir ab, Peter.

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