Projekt Babylon
den Inhalt studiert. Es waren größtenteils Instruktionen sowie Protokolle der bisherigen Untersuchungen und die Befunde. Ein Dokument beschrieb den Fund der Höhle. Ein Schäfer hatte sie zufällig entdeckt und dabei einen geistigen Schock davongetragen, nachdem er offensichtlich den »Durchgang« im hinteren Teil der Höhle durchschritten hatte. In der Folge seines Schocks hatte er sich schwere Verletzungen zugezogen und war in ein Krankenhaus eingeliefert worden. Er hatte sich dort kurzzeitig erholt und von seiner Entdeckung berichten können, war danach jedoch wieder in einen Zustand der Umnachtung gefallen, der noch immer andauere. Die ersten Untersuchungen der Schriftzeichen in der Höhle konnte man bestenfalls als grob bezeichnen. Jemand hatte die unterschiedlichen Schriften gezählt und versucht, einige davon zu identifizieren. Übersetzungsversuche gab es keine, wohl aber einige Spekulationen über die möglicherweise okkulte Natur einiger Symbole. Den Durchgang hatte man vermessen, die eingemeißelten Symbole auf dem Boden fotografiert. Die merkwürdige Beschaffenheit des Inneren des Durchgangs wurde beschrieben, ließ sich aber laut Bericht nicht ohne weiteres untersuchen oder messen, da die Schwärze jede Form von Strahlung zu verschlucken schien.
Viel mehr gaben die Papiere nicht her, alle Fragen waren noch offen, und viele waren noch gar nicht gestellt worden.
Sie hatten während des Essens wenig gesprochen. Neben unwichtigen Bemerkungen über das Wetter, das Land und die Qualität der Speisen, hatten sie sich im Wesentlichen ihre eigenen Gedanken gemacht und versucht, die Erlebnisse des Tages zu ordnen. Jeder sann darüber nach, was er denken sollte und was wohl der andere dachte. Es war kein unangenehmes Schweigen; es war eine produktive Reflexion, wobei jeder den anderen beobachtete und allmählich vertrauter mit seinem Gegenüber wurde. Auch durch den guten Rotwein, den Patrick ausgesucht hatte und den sie beide genossen, kamen sie sich näher, und als der Kellner einen abschließenden Espresso brachte, Patrick seine Zigarettenpackung hervorholte und Peter sich eine Pfeife stopfte, ergriff der Franzose das Wort.
»Haben Sie eine Idee?«
»Nein. Sie?«
»Die Gegenfrage ist wohl die Strafe dafür, dass ich das Gespräch angefangen habe, was?«
»Wenn Sie so wollen.«
»Ich wollte zunächst auf einen Ihrer sarkastischen Kommentare warten, um Ihre Laune einzuschätzen.«
»Entgegen meiner sonst üblichen Art wollte ich mich diesmal ausnahmsweise so lange zurückhalten, bis ich weiß, wovon ich spreche.«
Patrick lachte auf. »Dann sind Sie also tatsächlich genauso ahnungslos wie ich? Sie haben keine Vermutung?«
»Im Augenblick liegt es nahe, das Ganze für einen höchst aufwendigen Schwindel zu halten.« Peter entzündete seine Pfeife.
»Aber wer hätte Interesse daran?«
»Das ist genau der Knackpunkt. Was meinen Sie? Sie sind ja oft genug im Feld gewesen. Halten Sie die Höhle für echt?«
»Ja, unbedingt. Etwas wie den schwarzen Durchgang oder dieses Leuchten habe ich noch nie gesehen. Ich glaube auch, dass es äußerst spannend sein dürfte, die Inschriften zu entziffern.« Patrick begegnete Peters skeptischem Blick. »Sie glauben, die Inschriften sind gefälscht?«
»Ich halte sie für genauso fragwürdig wie das Engagement unserer Freundin in Genf.«
»Nun machen Sie doch nicht gleich alles schlecht, Peter!«
»Sie haben mich nach meiner Meinung gefragt.«
»Stimmt... aber wissen Sie was? Bis wir sicher sind, sollten wir die Unterbringung und die vorzügliche Verpflegung genießen.«
»Vielleicht haben Sie Recht. Warten wir's einfach ab.«
Kapitel 6
30. April, Waldcamp, Nähe St.-Pierre-Du-Bois
Als die beiden Forscher um neun Uhr morgens das Waldcamp erreichten, war die angekündigte Lieferung bereits angekommen. Große Kartons und hölzerne Kisten waren auf der Lichtung gestapelt, ein Ranger kam direkt auf Peter zu und überreichte ihm einen Lieferschein.
»Die Lieferung ist vollständig, Monsieur. Lassen Sie mich wissen, wohin Sie die einzelnen Geräte transportiert haben möchten. Ich kümmere mich darum.«
Patrick amüsierte sich über den eilfertigen Tonfall. »Wie heißen Sie?«, fragte er.
»André Guillaume, Monsieur.«
»Guten Morgen, André. Mein Name ist Patrick. Wieso holen Sie sich nicht erst mal in Ruhe einen Kaffee und sagen mir, wo wir Sie finden können, wenn wir die Papiere durchgelesen haben.«
Der Ranger wirkte einen Augenblick verwirrt und
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