Projekt Babylon
deutete dann auf eine der Container-Hütten. »Sie finden mich dort drüben.«
Peter lehnte am Wagen und studierte den Lieferschein. Dann reichte er ihn an Patrick weiter. »Die Hälfte dieser Dinge sagen mir nichts. Sehr technisch. Können Sie etwas damit anfangen?«
»Hm... nicht mit allem... hier sind ein paar Rechner, ein SatCom-Koffer, ein transportables Elektronenmikroskop...«
»Was ist das denn?«
»Ein Elektronenmikroskop?«
»Nein, davor, der Koffer.«
»Oh, der SatCom-Koffer. Das ist so etwas wie ein überdimensionales Funkgerät. Damit können Sie Daten per Satellit empfangen und versenden. Haben Sie bestimmt schon mal bei James Bond gesehen.« Patrick grinste.
»Aha, gut, dass wir das haben«, meinte Peter trocken. »Was ist noch dabei?«
»Ein Echolot, ein paar Weißnichtwas und ein... meine Güte! Die haben doch nicht wirklich einen Pioneer II geschickt! Das Basismodul mit Erweiterungen!«
»Wenn Sie mir verraten, was das ist...«
»Das ist eine Robotersonde.«
»So etwas, was Sie in Palenque verwendet haben?«
»Etwa hundertmal so teuer. Es ist eine Weiterentwicklung des Pioneer-Roboters, der für die Untersuchung der hochverseuchten Bereiche von Tschernobyl eingesetzt wurde. Überträgt Bilder in Stereovision, gewährleistet also dreidimensionales Sehen, und kartographiert seine Umgebung. Wurde zuerst von der NASA für die Pathfinder-Mission auf dem Mars entwickelt.«
» Geld spielt bei diesem Projekt keine Rolle! Für eine ebensolche Überheblichkeit wurde der Turmbau zu Babel bestraft.«
»Peter! Ist das aus Ihren Vorlesungen? Aberglaube im Laufe der Jahrtausende ?«
»Nein, aus der Bibel.«
»Ach.« Patrick machte ein überraschtes Gesicht. »Sollte ich noch mal nachlesen. Die Stelle mit den Robotersonden hatte ich übersehen.«
»Bevor wir uns in hochqualifizierten theologischen Diskussionen verstricken, schlage ich vor, dass wir dem eifrigen Mann von vorhin den Gefallen tun und uns entscheiden, was wir von dem Kram gebrauchen können.«
Patrick grinste. »Einverstanden. Gehen wir die Liste noch mal durch. Übrigens, der Mann heißt André.«
Sie betraten die Höhle allein. Aus den Geräten hatten sie zunächst keine sinnvolle Auswahl treffen können und daher angewiesen, das meiste ungeöffnet zu verstauen. Sie hatten sich einen Koffer mit Kleinigkeiten zusammengesucht, Skalpelle, Pinsel, Vergrößerungsgläser, Maßbänder, Taschenlampen, Kameras und Notizblöcke. Schließlich hatten sie sich doch noch für das Echolot entschieden. Da sie alles allein transportieren konnten, wurden sie nicht von Rangern begleitet.
Es war ein sonniger Tag, der Boden war wieder befahrbar, und so kamen sie mit dem Wagen fast bis zum Steilhang. Die letzte Wegstrecke hatten sie bald darauf ebenfalls gemeistert, und endlich konnten sie die Stahltür öffnen. Patrick startete einen Generator und schaltete das Licht an.
Trotz aller Skepsis staunten sie angesichts der unzähligen alten Inschriften, die in blassen Farben aber voller Sorgfalt erstellt waren, erneut. Peter fragte sich, wie viele Menschen dieses Werk vollbracht haben mochten. Wie lange sie wohl daran gearbeitet hatten? Selbst die Decke war verziert, es gab kaum ein Fleckchen, das nicht gefüllt war mit wunderbaren Zeichen, Buchstaben oder Mustern. Selbst wenn all dies eine Fälschung war, so war es doch ein großartiges Kunstwerk, gestand er sich ein, ein Kunstwerk, das jeden Museums-Kurator um den Verstand gebracht hätte. Egal, wann diese Malereien entstanden waren, sie repräsentierten doch alle Zeitalter der menschlichen Geschichte, die Vielfalt ihrer Kulturen über die Jahrtausende hinweg. Vor diesem Hintergrund wurde man sich der Geringfügigkeit eines einzelnen Menschenlebens gewahr, vielleicht sogar der ganzen Kultur, der man selbst angehörte. Es war bedrückend und erhebend zugleich.
»Ich werde den Durchgang untersuchen. Schauen Sie sich die Schriften an?«
Peter nickte, aber Patrick sah schon gar nicht mehr hin. Der Franzose verlegte gerade ein langes Kabel durch die Höhle und wollte sich offensichtlich am Echolot zu schaffen machen. Also untersuchte Peter die Wände. Dabei fiel ihm auf, dass es nicht nur unterschiedliche Schriften gab, sondern dass die Maler auch unterschiedlich sorgfältig gewesen waren. Einige Inschriften waren fast unleserlich und verwackelt, andere mit äußerster Akribie angebracht worden. Es gab neben Schwarz nur zwei andere Farben, einen dunkelbraunen und einen rötlichen Ton, manchmal blass,
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