Projekt Ikarus 01 - Schatten und Licht
an der Decke verliefen, rief sie von einem altmodischen Kabeltelefon aus eine bestimmte Nummer an.
»Joh.«
»Derek. Ich bin’s, Callie.«
Frostbite war gerade beim Essen. Er hörte auf zu kauen und sog scharf die Luft ein.
»Einen schlechteren Zeitpunkt für deinen Anruf hättest du dir kaum aussuchen können. Ist dir überhaupt klar, was für einen scheiß Sturm du losgetreten hast?«
»Gibt die kleine Jetty-Betty immer noch mir die Schuld an ihren schlimmen Wunden?« Sie ächzte verbittert. »Ich wünschte, ich könnte das Miststück überhaupt so hart schlagen.«
»Ich nehme mal an, du weißt inzwischen, dass Night und das Exekutivkomitee hinter dir her sind? Die Rede ist von einer gründlichen Razzia in deinem Planquadrat und im Rattennetzwerk.« Derek seufzte. »Warum musst du bloß … du sein? Sie werden dich töten, Iridium. Ich meine es ernst. Das Beste, worauf du hoffen kannst, wenn sie dich erwischen, ist eine komplette Gehirnamputation.«
Iridium presste ihren Handballen gegen die Stirn und zwang sich, ihren lässigen Tonfall beizubehalten. »Na, dann trifft es sich ja gut, dass ich gerade im Begriff bin, einen Eiskaffee zu trinken«, sagte sie. »In sicherer Höhe.«
»Vergiss es«, erwiderte Derek. Im Hintergrund konnte Iridium einen Fernseher hören. Gerade sagte eine Stimme: »Quizfrage, Schlaumeier. In einem Bus ist eine Bombe …«
»Derek, der Trottel«, sagte Iridium lächelnd. »Guckst du wieder mal Keanu Wieheißterdochgleich?«
Frostbite schnaubte: »Na und? Der Mann war fantastisch. Ein echter Künstler.«
»Er ist ein toter Schmierenkomödiant, und seine berühmteste Rolle bestand fast vollständig aus dem Wort ›Kumpel‹.«
»Stimmt nicht. Hast du Gefährliche Brandung gesehen? Reine Kunst!«
»Derek, ich muss dich treffen.«
»Keine Chance«, sagte Frostbite. »Ich darf den Komplex nicht verlassen. Seit Miss Schattenprinzessin sich die Knie aufgeschrammt hat, lassen sie keinen von uns mehr hier raus, außer der Schwadron und den Runnern.«
»Dann sag halt, du hättest Bauchschmerzen oder so was.« Sie schwieg einen Moment, dann fuhr sie fort: »Du weißt, ich würde dich nicht darum bitten, wenn es nicht um Leben und Tod ginge, Derek.«
Er seufzte. »Wo?«
»Looptown Mall, in einer Stunde. Food Court. Ich bin die mit dem Eiskaffee.«
»Ich hoffe, es ist wirklich so dringend, wie du sagst, Iri.«
»Verlass dich drauf«, gab sie zurück. »Das ist es.«
Frostbite erschien aufreizend pünktlich – eine alte Angewohnheit von ihm. Er ließ sich ihr gegenüber auf einen Drahtstuhl fallen. »Was? Was kann, verdammt noch mal, so wichtig sein, dass ich mich heimlich von meinem Posten wegstehlen muss?«
Sein Haar war immer noch blau. Aber um die Augen und die Mundwinkel hatte Frostbite Falten, die ihn viel älter aussehen ließen als 23. Das und die Tatsache, dass er stinksauer war, bildeten eine nicht eben freundliche Kombination.
Iridium entschloss sich daher, es kurz zu machen. »Ich habe vor, mich in drei Tagen bei Ops einzuhacken. Und ich denke, es wäre das Beste, wenn du dann nicht dort wärst.«
Frostbite glaubte, sich verhört zu haben. »Wie bitte? Du hast was vor?«
»Ops. Ich werde ihre Nabelschnur kappen, Derek. Keine Stimmen mehr in deinem Kopf.« Sie presste die Lippen fest zusammen. »Ohne sie sind die Helden ganz auf sich selbst angewiesen. Das wird ein schönes Chaos geben.«
Er pfiff. »Das will ich meinen.«
Sie setzte jenes dünne Lächeln auf, das ihre Augen nicht erreichte. »Jet, dieses kleine Miststück, wird nicht mehr die geballte Macht von Corp hinter sich haben, die sie immer wieder aus der Scheiße holt.«
Frostbites schockierter Gesichtsausdruck wurde von einem traurigen abgelöst. Sein Blick schien in die Ferne zu schweifen. »Weißt du, Callie, du solltest nicht so streng mit ihr sein.«
Iridium zog eine Augenbraue hoch. »Streng? Und das sagt mir ausgerechnet die einzige Person, die sie vermutlich noch mehr hasst als ich?«
»Ich will damit auf keinen Fall sagen, dass ich das, was zwischen euch beiden gewesen ist, richtig finde, klar?«, sagte Frostbite barsch. »Aber ich bin derjenige von uns beiden, der die letzten fünf Jahre in einem Büro bei Corp gesessen hat. Da sieht man einiges, während die Leute so tun, als sei man unsichtbar, und einen für unwichtig halten.« Er bekam einen bitteren Zug um den Mund. »Glaub mir, Calista, Corp hat etwas gegen Jet in der Hand. Ich weiß nicht, was genau, aber es wäre schlecht für sie …
Weitere Kostenlose Bücher