Projekt Ikarus 02 - Im Zwielicht
Valerie ein. »Stell doch ein Kindermädchen an, das dir hilft.«
Seufzend fuhr sich Holly mit der Hand durchs Haar. Sie sah viel älter aus, als zu der Zeit, als Valerie und sie sich zum ersten Mal begegnet waren. Vielleicht lag es aber auch nur daran, dass Glamique seinen Sponsorenvertrag mit ihr gekündigt hatte.
»Ich kann nicht«, erwiderte sie. »George will nichts davon hören.«
»Dann sollte er vielleicht mal seine Ohren untersuchen lassen.«
Holly lächelte nervös. »Er steht ziemlich stark unter Druck. Das weißt du doch. Bei Les muss es ganz ähnlich sein.«
»Sicher, es gibt Druck. Aber Les ist nachts zu Hause«, erwiderte Valerie sanft. »Wann war George das letzte Mal hier bei dir, als du zu Bett gegangen bist?«
Ihre Freundin zuckte zusammen. »Ich weiß wirklich nicht, worauf du hinauswillst, Valerie Bradford, aber hör sofort damit auf. George ist beschäftigt, weiter nichts.«
Valerie nestelte an Callies Haarband herum. Es wollte einfach nicht richtig sitzen. »Das bist du auch, Hols.«
»Das ist nicht dasselbe«, beharrte Holly. »Er kämpft ständig und immer, die ganze Zeit. Er ist so gestresst. Also muss ich hierbleiben und für ihn da sein, wenn er mich braucht. Das wird von mir erwartet.«
»Holly, du bist eine Superheldin. Niemand erwartet von dir, zu Hause zu sitzen und den ganzen Tag Kekse zu backen und Wäsche zu waschen.«
»George schon.«
Irgendetwas in der Stimme ihrer Freundin sorgte dafür, dass Valerie sich aufrecht hinsetzte und sie eindringlich ansah. Holly spielte mit ihren Haaren, mit ihrem Ehering. Sie blickte überallhin, nur nicht in Valeries Gesicht.
»Hols«, fragte sie und zog die Augenbrauen hoch. »Alles in Ordnung mit dir?«
»Er wird bloß manchmal … so wütend«, flüsterte Holly. »Ich weiß, dass er dann nicht er selbst ist. Ich weiß, er ist dann nicht der George, den ich geheiratet habe. Diesem George ist es egal, wenn mir aus Versehen mal das Abendessen anbrennt.«
»Holly«, sagte Valerie und ließ Callie von ihrem Schoß rutschen, damit sie über den Tisch langen und die Hand ihrer Freundin nehmen konnte. »Hat er dir was angetan?«
»Natürlich nicht. Wir haben nur eben manchmal unsere Meinungsverschiedenheiten, das ist alles. Das gibt es doch in jeder Ehe. Sogar du und Lester habt welche, oder? Das heißt doch nicht, dass alles gleich den Bach runtergeht oder –« Sie atmete stoßweise.
Valerie drehte Hollys Gesicht in ihre Richtung. »Schlägt er dich etwa?«
»Nein!« In Hollys Augen flammte nackte Panik auf. »Er ist ein guter Ehemann!«
Diese Lüge war zu offensichtlich. »Holly …«
»Und selbst wenn, dann wäre es bloß ein Unfall«, ergänzte sie viel zu hastig.
»Hols«, sagte Valerie sanft. »George hat ein Problem.«
Hollys Augen nahmen einen Unheil verkündenden Ausdruck an. »Zumindest ist er kein wandelndes Pulverfass, so wie Lester!«
»Oh, also jetzt ist mein Mann das Problem?« Valerie stand auf und strich sich die Haare zurück. »Ich will dir mal was sagen, Holly, und das schon seit Langem. Dein geliebter George ist nicht ganz dicht.«
»Wie kannst du es wagen …«
»Guter Gott, Mädchen, er schlägt dich! Wenn du schon nicht imstande bist, an dich zu denken, dann denk wenigstens an Joan! Woran soll sie sich denn erinnern, wenn sie mal erwachsen ist?«
Jetzt war auch ihre Freundin aufgestanden, und einen Moment lang konnte Valerie die alte Holly sehen, das Knallbonbon, den Feuerwerkskörper. Jene Holly, die immer lächeln konnte und lachen, egal, ob sie nun gerade einen Schurken fertigmachte oder für die Kamera posierte.
»Dazu hast du nicht das Recht«, sagte sie mit zittriger Stimme. »Ganz und gar nicht.«
»Du bist meine Freundin, Hols«, entgegnete Valerie mit weicher Stimme. »Und ich sage dir das als Freundin. Es könnte sein, dass es mit George das gleiche Ende nimmt wie mit Hypnotic.«
Holly erbebte, und zwei Tränen rannen langsam über ihr Gesicht. »Geh!«, presste sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Raus hier. Sofort!«
»In Ordnung«, sagte Valerie. »Bin schon weg.« Sie sammelte Callie ein und ging in die Küche, um ihre Tasche zu holen. Dort fiel ihr Blick auf den fröhlich leuchtenden roten Alarmknopf gleich neben der Combox an der Wand.
Der Anblick beruhigte sie etwas. Falls es ein Problem gab, ein echtes Problem, dann konnte Holly auf den Knopf drücken und in null Komma nichts wäre die Kavallerie hier.
Morgen würde sie versuchen, Holly zur Vernunft zu bringen. Sie
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