Projekt Ikarus 02 - Im Zwielicht
Blackouts Verhalten.
Die nächste Woche verging ohne weitere Zwischenfälle.
KAPITEL 44
VICTORIA
Ich finde es merkwürdig, meinen eigenen Namen im Fernsehen zu hören. Sie bezeichnen mich als Genie, nennen mich in einem Atemzug mit den Größten der Geschichte. Wenn sie nicht gerade meinen Tod dafür fordern, dass ich versucht habe, Gott zu spielen.
- Matthew Ikarus, Tagebucheintrag, datiert auf 1994
»Victoria! Noch eins, bitte!« Wieder brach ein kleines Blitzlichtgewitter los, doch dann ging Lesters Runner Yuriko dazwischen und breitete die Arme aus. »Tut mir leid, Leute. Aber auch Superhelden brauchen mal Ruhe!«
Die Presse begann zu murren, zog sich dann aber doch von der Treppe im Hauptquartier zurück. Sobald sie aus der Tür waren, ließ Lester sein aufgesetztes Lächeln fallen.
Valerie massierte ihr Genick. »Tank Girl ist wirklich ein passender Name. Sie hat uns zehn Tonnen Spaß beschert.«
Lester grunzte, sagte aber nichts, während sie den stillen Flur entlanggingen. Es war Sonntagnachmittag, und Callie war mit Reggie, Valeries Runner, im Kino.
»Stimmt was nicht, Süßer?«
»Wie kommst du darauf, dass etwas nicht stimmt?«
»Du lachst sonst immer über meine Witze.«
»Bin bloß müde«, sagte Les und rieb sich die Schläfen. »Verflucht müde und ausgebrannt. Total verspannt.«
»Ich hole eine Wärmepackung«, warf Yuriko sofort ein und stürzte davon, Richtung Krankentrakt.
»Liebling.« Valerie zog Les am Arm und brachte ihn so dazu, stehen zu bleiben. »Ich weiß, dass es daran nicht liegt.« Ihr Mann war schon seit Wochen trübsinnig und distanziert. Selbst Callie hatte aufgehört, ihn dazu bringen zu wollen, mit ihr zu spielen, wie sonst immer. Space Invader zum Beispiel, wo Les sich eine Kiste über den Kopf stülpte und vorgab, ein böser Roboter zu sein. Oder dass er die Stimme für ihre männlichen Puppen machte, wenn sie mit ihrem Puppenhaus spielte.
»Es ist nichts.«
»Sags mir doch einfach, hm?« Sie legte einen Finger unter Lesters Kinn und hob sanft seinen Kopf hoch. »Wenn wir nicht mehr miteinander reden, sind wir auch bloß so ein … na ja … Superpaar.«
»Was willst du denn damit sagen?«
Valerie biss sich blinzelnd auf die Lippe und versuchte, dem scharfen Blick ihres Mannes auszuweichen.
Les wandte sich von ihr ab und lockerte seine Haltung. »Du wolltest doch was anderes sagen.«
So ein Superpaar wie Blackout und Angelica.
»Wollte ich nicht«, log sie. Was ihre Freundin – frühere Freundin, vermutete sie, weil Angelica seit dem Vorfall beim Mittagessen nicht mehr mit ihr gesprochen hatte – in ihrer Ehe tat, ging Valerie nichts an.
Angelica war keine Närrin. Sie war eine starke, kompetente Heldin.
Welche Frau lässt denn zu, dass ihr Mann sie bei der geringsten Kleinigkeit als Punchingball benutzt?
»Ich mache mir auch Sorgen um die beiden.« Lester schlang die Arme um Valerie und drückte sie fest an sich.
Valerie zuckte zuerst überrascht zurück, dann erwiderte sie seine Umarmung. »Alles in Ordnung mit dir, Les?«
»Mit mir ja«, sprach er in ihr Haar hinein. »Aber mit dem Team nicht. Er wird jemanden verletzen.«
Valerie wich zurück und betrachtete ihren Ehemann sehr aufmerksam. Ihren großen, schlanken, wunderschönen Ehemann. Den Mann mit dem sündhaften Blick und dem Lächeln, dass ihr immer noch die Sprache verschlagen konnte. Er war in jeder Hinsicht das Gegenteil von Blackout – liebevoll, ein guter Zuhörer, ein guter Vater. Ein Held. Aber unter seinen Augen lagen Schatten, und um seinen Mund sah sie neue Linien. Nach Jahren des Zusammenlebens erkannte Valerie die Zeichen. »Da ist noch mehr.«
»Was? Nein. Sei nicht albern. Ich mache mir Sorgen um George und Holly.«
»Nein«, beharrte Valerie. »Du schläfst kaum noch. Du stehst mitten in der Nacht auf und läufst umher. Wenn wir im Dienst sind, bist du nur halb bei der Sache. Nicht, dass ich dir etwas vorwerfen will. Aber wir müssen so verdammt vorsichtig sein, jetzt, wo diese Familie Blackout verklagt hat …«
»Er hat einem Familienvater das Rückgrat gebrochen«, murmelte Les verärgert. »Valerie, es ist nur … Ich könnte nicht damit leben, wenn wir so werden würden wie sie. Kleine Puppen an kleinen Schnüren, die nach der Pfeife von kleinen Männern tanzen. Leuten, die keinen blassen Schimmer davon haben, was es braucht, um unseren Job zu machen.«
Valerie streckte sich nach oben und küsste ihn auf die Wange. Da waren Bartstoppeln – der
Weitere Kostenlose Bücher