Projekt Ikarus 02 - Im Zwielicht

fröhliche Gekreische ein.
    »Sei vorsichtig«, sagte er. »Wenn du eine Gehirnerschütterung bekommst, kannst du keinen Kuchen essen.«
    Die Türglocke schellte, und Lester murmelte: »Wurde aber auch verdammt Zeit.« Diese Mistkerle von Party City würden ihm jeden einzelnen Cent seiner Vorauszahlung zurückgeben.
    Jahre später würde Lester sich erinnern, dass er die Sicherheitskamera nicht gecheckt hatte, bevor er die Tür öffnete. Er war abgelenkt gewesen, irritiert und beschäftigt, wie jeder Vater eines kleinen, äußerst leicht erregbaren Kindes. Hätte er das statische Geflimmer gesehen, das über den Bildschirm seiner hochmodernen Alarmanlage flackerte, wäre er immer noch ein freier Mann. Das dachte er. Wieder und wieder.
    Aber er öffnete die Tür, und statt des bestellten Clowns standen sechs Männer vor ihm, mit teilnahmslosen Gesichtern und geschützt von Einsatzschilden.
    Der Anführer hob eine Schockpistole. »Lester Bradford. Sie werden hiermit angewiesen, sich der Autorität von Corp-Co zu unterwerfen und vor dem Exekutivkomitee zu erscheinen. Sie werden des Raubes, des Betruges und der Körperverletzung angeklagt. Sie haben das Recht zu schweigen.«
    Blinde Panik war noch niemals Lesters Ding gewesen. Gerade mal eine Sekunde lang verspürte er einen leichten Schock. Ein Oh.
    »Wer möchte Kuchen?«, rief Valerie aus der Küche. »Setzt eure Partyhütchen auf. Wir wollen das Geburtstagslied singen!«
    Lester starrte den Anführer des Eindämmungsteams an, und der starrte zurück.
    »Nun«, sagte Lester, ohne sich erst die Mühe zu machen, den falschen Chicagoer Akzent zu benutzen, »Boris, richtig?«
    Der Anführer blinzelte überrascht, dann nickte er. »Das ist richtig, Bradford.«
    »Boris, meine Tochter ist in der Küche und feiert ihren Geburtstag. Würden Sie bitte so nett sein und mit Ihren Männern hereinkommen? Ich würde vorziehen, wenn sie das hier nicht sehen müsste.«
    Nachdem Boris in den Flur gespäht hatte, um nachzusehen, ob Lester wirklich allein war, machte er eine zustimmende Kopfbewegung.
    »In Ordnung. Aber nur wegen der Kleinen, Bradford.«
    Lester trat zur Seite. Seine Finger rissen kleine Stückchen aus der Eingangstür, als sich seine Handflächen erhitzten.
    Boris hielt Lester die Schockpistole vors Gesicht, während seine Männer einer nach dem anderen hereinkamen und Kampfposition bezogen. »Es ist nichts Persönliches, Bradford. Das wissen Sie doch?«
    Lester schloss die Tür und schob den Sicherungsriegel vor, der mit einem sanften Klick einrastete. Es ging doch nichts über einen guten, alten Tür verschluss.
    »Ich weiß, Boris. Das hier auch nicht.«
    Und Lester ließ die Energie frei, die er in der Minute angesammelt hatte, seit das Eindämmungsteam auf seiner Schwelle erschienen war.
    Boris wurde geblendet, taumelte und hob die Waffe hoch. Lester packte sie, verdrehte ihm das Handgelenk und entwand sie ihm.
    In der Küche begannen Valerie und die Kinder zu singen: »Happy Birthday to you …«
    »Charlie! Du verpasst den großen Moment!«, rief Valerie. »Komm schnell, gleich bläst sie die Kerzen aus!«
    Der nächste Corp-Lakai ging zu Boden. Ein Schuss aus der Schockpistole hatte ihn aus kürzester Entfernung getroffen. Seine Schutzweste verschluckte den kleinen Knall der Waffe. Der dritte bekam einen Ellenbogen in die Kehle gerammt, dem vierten und dem fünften wurden Knöchel und Handgelenk gebrochen.
    Lester brauchte seine Superkraft nicht, wenn er leise sein müsste. Schon lange vor seiner Zeit bei Corp hatte er gelernt, wie man Gegnern schnell und ganz gezielt große Schmerzen zufügen konnte. Dazu brauchte es nicht mehr als einen glimmenden Zigarettenstummel oder einen Schlag in die Weichteile oder eine Hand an der Gurgel, die die Luft abdrückte.
    Der letzte Gegner sackte zusammen. Valeries kleiner Flur sah aus wie nach einem kollektiven Selbstmord.
    Der bewusstlose Boris gab ein Ächzen von sich, und Lester nahm sich einen Augenblick Zeit, um seinen Puls wieder unter Kontrolle zu bekommen. Er hatte alle sechs ausgeschaltet, aber sie hatten ihn gefunden. Und Valerie. Und Callie.
    Und es war kein Held bei der Einheit gewesen. Das widersprach, soweit er wusste, eindeutig den Richtlinien von Corp. Außermenschliche für Außermenschliche. Von Menschen wie Boris konnte man nicht erwarten, dass sie sich, nur bewaffnet mit Schockpistolen und Körperschutz, einem Arclight stellten.
    Jemand hatte den Helden von dieser Mission abberufen.
    Lester kannte nur