Projekt Ikarus 02 - Im Zwielicht
aufgeschnitten.«
Night stimmte im Stillen zu. »Ist schon gut, Mann«, sagte er. Eine glatte Lüge. Die Hand hinter seinem Rücken verkrampfte sich wieder.
Blackout raspelte: »Was haben sie mit mir gemacht?«
»Das spielt keine Rolle«, erwiderte Night, mehr zu sich selbst als zu Blackout. »Falls sie gezielt nach etwas gesucht haben, dann haben sie es entweder gefunden oder nicht.« Er sah Blackout an, studierte sein Gesicht. »Kannst du immer noch den Schatten rufen?«
Blackout wurde noch blasser. »Rick … ich hab Angst.«
Nights Nackenhaare stellten sich auf. Er hasste es, bei seinem richtigen Namen genannt zu werden. Aber eins war klar: Genau dieser … menschliche Touch … war es, den sein Teamkamerad jetzt brauchte. »George«, sagte er. »Du musst es tun. Du musst wissen, ob sie es dir weggenommen haben.« Ob sie ihn kastriert harten. Das war der dritte und letzte Test. »Es wird uns zeigen, ob Dr. Moore sich an deinem Gehirn vergriffen hat.«
Blackout seufzte. Dann wurden seine Lippen langsam blau, und sein eisiger Atem bildete vor der Nase kleine Wölkchen. Aus seiner rechten Hand schlängelte sich vorsichtig ein Creeper hervor, sehr zögerlich, als wollte er nachsehen, ob die Luft rein war.
»Ausgezeichnet«, sagte Night erleichtert. »Gute Arbeit. Sieht so aus, als wäre es Moore nicht gelungen, überhaupt in deinen Kopf einzudringen.«
Blackout ließ langsam und zischend seinen Atem entweichen. »Und warum kann ich mich dann an nichts erinnern?«
»Höchstwahrscheinlich ein Trauma.« Night klopfte Blackout leicht auf die Schulter. »Du und ich, wir beide wissen, dass der richtige Kampf nicht gegen die Superschurken geführt wird, oder?«
Blackout ließ ein schwaches Lachen vernehmen. Es klang wie ein Schrei.
Hinter seinem Rücken ließ Night das Schattenmesser los. Es rollte sich auf, ganz langsam, und sank zurück in Nights Fleisch. Blackout hatte bestanden, wenn auch nur denkbar knapp. Night lächelte. Er war froh, dass er nicht allein war mit seiner Macht. Doch während er weiter mit seinem Bruder im Schatten sprach, konnte er nicht umhin, sich insgeheim zu fragen, was genau Dr. Moore mit Blackout gewollt hatte.
ZWISCHENSPIEL
Hier entlang«, sagt Julie und reicht der alten Mrs Summers helfend die Hand.
»Entschuldigen Sie die Unordnung.«
»Ach, das ist doch gar nichts.« Die alte Frau lacht. »Sie sollten mal unsere Wohnung sehen, wenn meine Enkel zu Besuch waren. Da sieht’s anschließend schlimmer aus als in Sodom und Gomorrha. Und außerdem ist es sehr lieb von Ihnen, dass wir hierbleiben dürfen.«
»Nicht der Rede wert«, sagt Garth, die Arme voller Kartons. »Wir sind froh, Sie und die anderen hier zu haben.«
»Zu mehreren ist man sicherer«, fügt Julie vergnügt hinzu.
Er kann nicht anders, als ihr einen bedeutsamen Blick zuzuwerfen. Wie sie da so den Vorteil der Menge lobt, könnte man glatt denken, sie würde seine Idee, das Netzwerk zu aktivieren, voll unterstützen. Aber nein – Julie lehnt sein Vorhaben rundheraus ab, genau wie alle anderen Latenten, mit denen er in den letzten Tagen gesprochen hat.
Sie dreht sich um und lächelt ihn an, zufrieden wie eine Katze, der noch die Federn am Maul kleben.
Mrs Summers schwatzt fröhlich mit den Brewers von gegenüber. Garth setzt die Kartons auf dem Fußboden ab und schüttelt den Kopf. Die Ärmsten. Heather und Paul mit ihren beiden Jungs, Alex und Jacob. Wären um ein Haar aus ihrer Wohnung geflogen, weil sich der Vermieter ausgerechnet diesen Zeitpunkt ausgesucht hat, um zu beschließen, Deke O’Connor nicht zu bezahlen.
Beim Gedanken an diesen mickrigen Möchtegern-Paten schneidet Garth eine hämische Grimasse. O’Connor ist einer von denen, deren ganzer Stolz als Iren sich darauf beschränkt, keltische Symbole auf jeden Quadratzentimeter ihrer Arme tätowieren zu lassen. Es heißt, seit Iridium ihm vor ein paar Wochen einen Besuch im Blarney Stone abgestattet hat, legt Deke es darauf an, allen zu beweisen, wie weit er pinkeln kann. Es heißt, Deke habe gerade heute morgen erst dem Vermieter der Brewers erklärt, es sei ihm scheißegal, ob das Chaos in New Chicago schwäre wie eine Pestbeule am Arsch eines Leprakranken – das wäre noch lange kein Grund, den allwöchentlichen Besuch in der Spielhölle aufzugeben. Es heißt, Deke hätte seine Auffassung dem Hausbesitzer sehr eindringlich klargemacht – indem er eine Brandbombe in dessen Wohnung warf.
Was man ansonsten von Deke O’Conner auch halten
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