Projekt Sakkara
übrig. Aber mir war dennoch klar, dass seine Suche ernsthaft und seine Artefakte und Manuskripte selten und wertvoll waren. In jenem Winter zeigte er mir nun zum ersten Mal sein kostbarstes Stück, einen ägyptischen Papyrus mit einem Haufen Schriftzeichen und seltsamen Zeichnungen. Er sagte nicht, wie er in seinen Besitz gekommen war, nur, dass er aus dem Grab Tutanchamuns stammte und eine Anleitung sei, die ihn direkt zum Schatz führen würde. Der Papyrus lag in einer luftdichten Metallschatulle, die in mehreren Kammern Säckchen mit irgendeiner Chemikalie enthielt, um Feuchtigkeit zu absorbieren. Nun, jedenfalls ließ er mich den Papyrus nur kurz sehen, verschloss und verstaute die Schatulle dann wieder, um mir eine vollständige Kopie des Schriftstücks zu zeigen. Mit Fadenzähler, Zirkel und Lineal hatte er die Zeichnungen dupliziert, ihre Strichstärke, Proportionen und Abstände aufs Genaueste vermessen und Hieroglyphe für Hieroglyphe, Symbol für Symbol, Strich für Strich übertragen. Er war zu diesem Zeitpunkt nicht in der Lage, den Text zu übersetzen oder die Zeichnungen vollständig zu deuten, aber er war sich seiner Sache sicher. Es sei die wichtigste Entdeckung der Geschichte, sagte er, und sobald er den Papyrus entschlüsselt habe, würde er die Geschichte der Menschheit neu schreiben. Es war leider das letzte Mal, dass ich meinen Vater sah.«
»Ist er verschwunden?«, fragte Patrick.
»Nein, er starb in jenem Jahr.«
»Mein Beileid ... « sagte Peter. »Was ist aus seiner Suche geworden? Und aus dem Papyrus?«
»Da mein Vater schon zuvor Probleme mit seinem schwachen Herzen gehabt hatte, hatte er bereits eine testamentarische Verfügung vorbereitet. Als er plötzlich verstarb, war also bereits geregelt, dass ich seine Sammlung, seine Notizen und seine Arbeit erben würde.«
»Und die Schatulle mit dem Papyrus?«
»Sie fehlte. Jahrlang hat mich das beschäftigt. Ich wusste, dass es seine größte Kostbarkeit war und dass er niemandem von dem Papyrus erzählt hatte. Nicht nur, weil die Herkunft möglicherweise problematisch war, sondern auch, weil er fürchtete, dass jemand ihm bei der Suche zuvorkommen würde. Nicht zuletzt deswegen kam er auch ohne Hilfe mit der Übersetzung nur schleppend voran. Andererseits wusste ich, dass ihm das auch zu schaffen machte. Er erzählte mir – einem immerhin nur zwölf Jahre alten Kind – auch deswegen davon, weil er sich sonst niemandem mitteilen konnte oder wollte. Er war so stolz auf seine Entdeckung, aber dennoch blieb er damit allein.«
»Vielleicht hat er sich in den Monaten nach Ihrem letzten Treffen jemandem anvertraut«, überlegte Peter, »um seine Begeisterung teilen zu können, um Hilfe bei der Entzifferung zu bekommen?«
»Das ist möglich, ja. Diese Vorstellung wiederum legt aber den Gedanken nahe, ob er nicht vielleicht sogar deswegen Opfer eines Raubmords wurde. Zumindest wäre es ja denkbar. Doch diese Möglichkeit habe ich jahrelang verdrängt. Er war ein so intelligenter, gutherziger Mann, mit vielen Freunden und ein gern gesehener Gast in großen Gesellschaften. Es wäre einfach unvorstellbar, dass so etwas passiert und dann auch noch ungesühnt geblieben wäre.«
»Fehlten noch andere Teile aus dem Nachlass Ihres Vaters?«
»Ich kann das nicht mit ganzer Sicherheit sagen, da die Sammlung nicht katalogisiert war. Aber alle die Stücke, an die ich mich aus meiner Kindheit erinnerte, waren und sind noch da.«
»Und seine Kopie des Papyrus?«, fragte Patrick.
»Auch sie ist noch da.« Guardner machte eine bedeutungsvolle Pause und lächelte.
Peter blies bedächtig eine Rauchwolke an die Decke und sah dann zu Patrick hinüber. Er stellte sich vor, was im Kopf des Franzosen vor sich ging. Er war kein Archäologe oder gar Historiker, er war ein Schatzsucher. Peter zweifelte nicht, dass Patrick sich bereits ausmalte, wie sie nach verborgenen Türen in den Pyramiden oder geheimen Schächten unter den Mastabas suchten.
»Ich möchte Sie einladen«, sagte Guardner nun, »nach Kairo zu kommen und die Suche meines Vaters fortzusetzen.«
»Was bieten Sie uns an?«, fragte Patrick. Er zog eine Zigarette hervor und entzündete sie an der Kerze auf dem Tisch. Die missbilligenden Blicke von den Nachbartischen ignorierte er.
»Ich biete Ihnen zehn Prozent des Gewinns.«
»Kommen Sie, Peter, wir verschwenden unsere Zeit.«
Guardner lächelte. »Gut! Das war sehr gut! Sie enttäuschen mich nicht, Monsieur Nevreux. Wie wäre es also mit elf
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