Projekt Sakkara
gegangen war.
Dann folgte er dem Weg und hörte schon bald die Stimmen der beiden durch das Gewölbe hallen.
Diese Idioten machen es mir ja fast schon zu leicht!, dachte er und schmunzelte.
11. Oktober 2006, Nekropole von Sakkara
Während sich Peter und Jason zu Patrick und Melissa gesellten, stemmte der Franzose seine Arme in die Hüften. »Was ist hier los?«, fragte er.
Vier Männer traten aus der Dunkelheit. Sie waren in einheitliche, dunkle Roben gekleidet und von kräftiger Statur. Zwei von ihnen hatten Pistolen gezückt. Sie machten nicht den Eindruck, als sei es eine formale Drohgebärde. »Schwester Lilith hat uns davon erzählt, dass Sie auf der Suche nach einer Quelle der Weisheit sind«, sagte einer der vier, offenbar der Anführer.
Peter sah den Franzosen an. »Ich wusste, dass sie Ärger bringen würde.«
Patrick schaute zu Melissa. »Schwester Lilith?!«
»Ich ... Es tut mir so leid. Sie haben mich gezwungen«, sagte Melissa an Patrick gewandt.
»Wir sind kein Freizeitverein«, herrschte der Mann. »Bei uns kann man nicht einfach kommen und gehen, wie man will.«
Melissa warf einen wütenden Blick auf die Robenträger. »So viel zum Thema ›dem eigenen Willen folgern, was? Das ist erbärmlich!«
»Wir folgen unserem Willen nach Vervollkommnung und Erkenntnis! Und es kann sicherlich nicht euer Wille sein, dabei zu Schaden zu kommen, also solltet ihr jetzt keinen Ärger machen.«
»Sie scheinen eine reichlich flexible Vorstellung vom freien Willen zu haben«, meinte Peter in einem Tonfall, dessen Ruhe ihn selbst überraschte.
»Was mischen Sie sich ein? Sie haben doch gar keine Ahnung, wovon wir reden!«
»Aber natürlich habe ich das«, sagte Peter. »Meinen Sie, Sie wüssten mehr über das, was die Menschen seit Jahrtausenden beschäftigt, als jemand wie ich, der Ihr Vater sein könnte und die Ursprünge Ihrer Do-it-yourself-Religion jahrzehntelang studiert hat?! Tu, was du willst, sei das einzige Gesetz! Das ist so banal, so missverständlich und falsch wie kaum eine andere Parole!« Der Mann, den Peter anging, bekam einen roten Kopf und wollte zu einer hitzigen Antwort ansetzen, aber Peter sprach einfach weiter: »Haben Sie jemals von der deterministischen Philosophie gehört, laut der jeglicher freie Wille eine Illusion ist, da das Gehirn seine Empfindungen und Wünsche auf Basis bioelektrischer Impulse generiert? Haben Sie Schopenhauer, Kant, Jung und Freud gelesen? Descartes, Cicero, Aristoteles, Diogenes – und welche Theorien sie über den Willen und ethisches Handeln aufgestellt haben, lange bevor Ihr geistig beschränkter Lehrvater das Licht der Welt erblickte? Einer, der nicht mehr war als ein egomanischer Exzentriker, sozial minderbemittelt und von kulturgeschichtlicher und intellektueller Halbbildung vollkommen verwirrt. Haben Sie außer seinen größenwahnsinnigen und vollkommen sinnfreien Ergüssen jemals etwas Vernünftiges in Ihrem Leben gelesen, etwas, das bedeutender war als Aleister Crowley? Das hätte eigentlich nicht schwerfallen sollen. Kennen Sie das Wissen von Millionen von Menschen aus Tausenden von Jahren Kulturgeschichte, die schlauer waren als wir alle zusammen, die Religionen und Philosophien entwickelt haben, so anspruchsvoll und tiefgründig, dass Sie mehr als eine Lebenszeit bräuchten, um sie zu verstehen? Nein?« Peter echauffierte sich immer mehr und machte einen Schritt auf den Mann zu. »Natürlich nicht. Und Sie nehmen sich heraus, mir keine Ahnung zu unterstellen?! Was glauben Sie eigentlich, mit welchen Binsenweisheiten Sie abends ins Bett gehen!? Reden Sie nicht mit mir, als hätten Sie das Wissen gepachtet! Damit können Sie vielleicht Ihre seichten Brüder und Schwestern beeindrucken!«
Der Mann holte mühsam Luft und wies dann lächelnd auf seine Begleiter. »Das ist alles irrelevant, Herr Professor, denn wir haben die Waffen.«
»Dieses Armutszeugnis haben Sie sich gerade selbst ausgestellt,« gab Peter zurück.
»Nun halten Sie endlich Ihre unverschämte Klappe!«, rief der Mann erbost aus. »Sie führen uns jetzt zu der Quelle der Weisheit, die Sie hier unten gefunden haben. Und zwar ein bisschen flott!«
Patrick reagierte als Erster. »Tja, schätze, wir haben keine Wahl. Wir müssen hier entlang ... « Er deutete in einen abzweigenden Gang und winkte Melissa, Jason und Peter zu, dass sie zu ihm aufschließen sollten. Die Ordensleute bildeten den Abschluss. Patrick leuchtete voraus und ging neben Peter voran. Er raunte ihm zu:
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