Projekt Sakkara
die Guardner Residence.
Leicht klimatisierte Luft umfing ihn. Der polierte steinerne Boden der Empfangshalle war mit einem großen orientalischen Teppich bedeckt. Antike Möbel und lederbezogene Sessel standen im Raum, ein feudaler Kronleuchter hing von der Decke.
»Ich freue mich, dass Sie die Reise wohlbehalten überstanden haben«, sagte Guardner. »Wenn man von dem unerfreulichen Zwischenfall am Flughafen absieht. Es tut mir sehr leid, dass es derartige Komplikation gab. Gut, dass Sie mich angerufen haben, Professor Lavell! Wenn es Ihnen recht ist, werde ich Ihnen gleich Ihre Zimmer zeigen. Es ist schon sehr spät, und sicherlich sind Sie von der Reise erschöpft. Ich schlage daher vor, dass wir den obligatorischen Begrüßungstrunk lieber zu einem gemeinsamen Frühstück umfunktionieren. Sind Sie einverstanden?«
»Das klingt ausgezeichnet«, sagte Peter, »vielen Dank.«
»Gut. Dann folgen Sie mir.« Guardner wandte sich um. »Hier entlang.«
Peter und Patrick gingen hinter ihm her und ließen ihre Blicke über die Kunstgegenstände und historischen Artefakte wandern, die die Gänge und Zimmer schmückten. Durchgänge wurden von nachgebildeten Pylonen gesäumt oder mannshohen Statuen flankiert, Ecken waren zu Schreinen ausgebaut, an den Wänden hingen Teppiche, Rollbilder und gerahmte Pergamente. Peter identifizierte nordafrikanische Figuren aus schwarzem Holz mit eingelassenen Kaurimuscheln, eine Wand voller Masken aus dem Südpazifik, die ihn an Räume des Museums in Hamburg erinnerten, eine Statue des Gottes Shiva und einen Altar mit einer grimmigen Mahakala-Figur und bunten Gebetsfahnen. Es war ein Spaziergang durch ein privates Völkerkundemuseum.
»Was Sie hier überall sehen«, sagte Guardner und zeichnete mit seinem Gehstock einen unbestimmten Kreis in der Luft, »sind Mitbringsel von den ausgiebigen Reisen meines Vaters und exotische Geschenke, die sich im Laufe der Jahre angesammelt haben. Es sind keine nennenswerten Schätze oder aufsehenerregende Kulturgüter darunter, wie Sie sicherlich schon festgestellt haben. Mein Vater hat sich bemüht, die Stücke entsprechend ihrer geographischen oder kulturellen Herkunft zu gruppieren. Sie werden diese Woche im ägyptischen Flügel des Hauses wohnen. Das sollte den passenden Rahmen für Ihren Besuch schaffen.«
Sie traten durch eine Tür und standen plötzlich im Freien. Es war ein kleiner Innenhof, der an drei Seiten von einer überdachten Veranda umschlossen wurde. In der Mitte des Hofes befand sich ein von einer niedrigen Mauer umfasster Teich. Aus der Mitte des Wassers ragte eine Skulptur aus zahllosen halbnackten Nymphen und wasserspeienden Delfinfiguren, die sich um einen Streitwagen gruppierten, in dem ein muskulöser Mann mit Dreizack zu erkennen war.
»Das scheint der griechisch-römische Teil des Anwesens zu sein«, meinte Peter. »Ist das Neptun oder Poseidon?«
»Ich weiß es nicht und bin mir ehrlich gesagt auch nicht sicher, ob mein Vater es wusste. Es repräsentiert ohnehin eine Periode, für die mein Vater nicht viel übrig hatte.«
Peter sah sich die Figuren näher an. »Es müsste eigentlich aufgrund der Nereiden aus der griechischen Zeit stammen, demzufolge könnte es Poseidon sein, aber vielleicht auch Nereus ... «
»Aber sehen die Delfine nicht minoisch aus?«, wandte Patrick ein.
»Minoisch?« Peter sah auf. »Woher kennen Sie ›minoisch‹?« Seine Augen blitzten schalkhaft.
»Ach, bloß im Urlaub aufgeschnappt.« Patrick winkte grinsend ab. »Das Material hingegen würde ich datieren auf ... .« Er rieb einen Finger am Stein und leckte ihn ab. »Frühes zwanzigstes Jahrhundert. Marmorimitat. Italien. Südhang.« Dann lachte er. »Und sehen Sie mal, warum er so einen gewaltigen Dreizack braucht. Freud hatte recht.« Er wies auf das minimalistisch ausgearbeitete Geschlechtsteil der Figur. »Und das inmitten dieser aufreizenden Gesellschaft. Wie traurig.«
»Vielleicht ist es auch nur natürlich: Wenn es Nereus ist, dann wäre er der Legende nach nämlich der Vater der Nereiden hier.«
»Gut, aber dann stellt sich eine ganz andere Frage: Wie um alles in der Welt hat er das mit dieser Ausrüstung zustande gebracht?«
»Die Götter des Altertums haben noch ganz andere Sachen zustande gebracht. Denken Sie an die Geburt der Athene, oder ... «
»Halt«, unterbrach ihn Patrick lachend, »das reicht, danke.« Er klopfte dem Professor auf die Schulter. »Lassen Sie es für heute gut sein. Und morgen machen wir an dieser
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