Projekt Sakkara
Seiten des Raums säumten. Hinter Glas lagen und standen Werke aus fünf Jahrhunderten, in Leinen und Leder gebunden, bedeckt mit goldenen arabischen Schriftzeichen, zum Teil auf Seide gebettet, zum Teil aufgeschlagen und mit prächtigen Farben illuminiert.
»My goodness!«, entfuhr es Peter. »Was für ein Schatz!« Bewundernd schritt er die Vitrinen ab und begutachtete die antiken Schriften.
»Ist es wahr«, fragte Patrick derweil die stolz lächelnde Frau, »dass es hier einen alten Bericht über die Belagerung von Rhodos gibt?«
»Ich weiß nicht«, erklärte sie. »Aber ich zeige Ihnen ein sehr altes Buch!« Sie führte Patrick zu einem verglasten Schrank und gab ihm zu verstehen, dass dies das älteste Buch in der Bibliothek sei.
»Kommen Sie hier herüber, Peter«, rief der Franzose, und kurz darauf nahm Peter das Exponat in Augenschein. Es war ein schweres Werk, in Leder gebunden, im Format eines wuchtigen Bildbandes oder Atlanten und lag auf einem Kissen aus dunkelrotem Brokat.
»Es sind arabische Schriftzeichen«, sagte Peter, »aber ob es der türkische Bericht ist, kann ich nicht sagen ... Meinen Sie, wir könnten das Buch herausholen und es uns ansehen?«
Die Frau hatte die Frage an Patrick offenbar ebenfalls verstanden, schüttelte energisch den Kopf und wich zurück. Peter hatte nichts anderes erwartet. Natürlich waren so alte Dokumente sehr kostbar und zerbrechlich. Aber andererseits war dieses Manuskript gerade einmal halb so alt wie das berühmte Book of Kells im Trinity College, und auch das wurde in regelmäßigen Abständen umgeblättert, damit den Besuchern immer andere Seiten präsentiert werden konnten. Und er selbst hatte am Museum auch schon mit weit älteren Handschriften gearbeitet. Er wollte sich schon resigniert abwenden, als die Frau eine Schublade aufschloss und etwas darin suchte. Dann holte sie ein Paar weiße Handschuhe hervor und reichte sie ihm. Anschließend öffnete sie das kleine Schloss der Vitrine und hob den Glasdeckel hoch. »Sie Professor«, raunte sie ihm zu. »Sie sehen.«
Peter bedankte sich, zog die Handschuhe über und hob das Buch behutsam von seinem Bett. Die Frau breitete ein schwarzes Samttuch auf dem Tisch aus, auf dem Peter das Buch ablegte. Dann setzte er sich davor und begann, es vorsichtig Seite für Seite durchzublättern.
Es war in bemerkenswert gutem Zustand, und es zu lesen und zu berühren war eine reine Freude. Jedes der übergroßen Blätter war mit einem aufwendig gezeichneten Rand umgeben, in dem sich Weinranken, Blumen und Tiere erkennen ließen. Die mehrfarbig geschriebenen, arabischen Texte wirkten wie komplex gewebte, exotische Stickereien und machten jede Seite des Buchs zu einem einzigartigen Kunstwerk. Immer wieder unterbrachen großformatige Illuminationen den Textfluss, und hier wurde deutlich, dass das Manuskript tatsächlich die Geschichte der Eroberung der Stadt Rhodos erzählte. Es fanden sich Bilder der türkischen Schiffsflotte, des Hafens, der Belagerung, der Ritter mit den wehenden Fahnen des Johanniterordens, es folgten Darstellungen von brennenden und einstürzenden Gebäuden, es war eine Burg zu sehen, offenbar der Großmeisterpalast und ganz anders dargestellt, als er heute aussah. Auf weiteren Zeichnungen waren Verhandlungen wiedergegeben, der Auszug der Ritter aus der Stadt in langen Märschen, einige Impressionen von Ruinen und Trümmern, aber auch Abbildungen von Steinmetzarbeiten an Häuserfronten, Säulen, Arkaden und Statuen. Zum Ende hin entwickelte sich das Buch anscheinend zu einer Bestandsaufnahme nach der Eroberung der Insel. Und dann kam die Seite, auf die Peter gehofft hatte. Als er sie aufblätterte, entfuhr ihm ein ehrfürchtiges Seufzen.
Er hatte sie gefunden!
Die Seite wurde ausgefüllt von der Zeichnung einer Steintafel mit ägyptischen Schriftzeichen. Es war die Stele, deren Inschrift hier minutiös wiedergegeben war. Hier, direkt unter Peters Fingern, befand sich ein Abbild der berühmtesten Steintafel der Geschichte, wenn man einmal von den Gesetzestafeln Moses' absah. Dies war die wahre Tabula Smaragdina , jener Quell sagenhafter Rätsel, unendlicher Weisheit und unermesslicher Macht! Auf diesem Text beruhte ein Großteil der abendländischen Esoterik. Vermutlich niemals richtig übersetzt oder jemals verstanden und über Jahrhunderte verloren, lag sie nun direkt vor ihm!
Mit feinsten Linien, wie in einer Radierung, waren die winzigsten Details der Hieroglyphen zu erkennen, selbst Haarrisse in
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