Projekt Sakkara
wird sich freuen, Sie wiederzusehen – oder etwa nicht?«
»Ich weiß nicht einmal, ob sie noch hier wohnt.«
»Einen Versuch ist es wert«, beharrte Peter gutgelaunt. »Denken Sie daran, wie wichtig die Stele ist!«
»Außerdem war unser Abschied ... na ja, nicht gerade freundschaftlich.«
»Ein Grund mehr, etwas gutzumachen!«
»Ich glaube nicht, dass sie der Meinung ist, etwas gutmachen zu müssen.«
»Nun, es gehören immer zwei dazu, nicht wahr? Und außerdem: Wenn einige Zeit vergangen ist, glätten sich alle Wogen. Sie werden sehen.«
Patrick lachte auf. »Sie kennen sie nicht.«
Als sie das Haus gefunden hatten und Patrick geklingelt hatte, öffnete eine alte Frau, die den Franzosen erst einen Augenblick musterte, bis ein Strahlen des Erkennens ihr Gesicht überzog und sie ihn in gebrochenem Englisch freudig begrüßte.
Peter blieb ein wenig abseits stehen, bis Patrick ihn herbeiwinkte und vorstellte.
»Es tut mir leid, aber Alina ist nicht mehr hier«, erklärte die Frau den beiden dann und bemühte sich zu erläutern, dass ihre Tochter Rhodos verlassen hatte und auf dem Festland studierte. Dennoch bat sie die Gäste herein. Das altertümliche Haus war verwinkelt, und eingekeilt zwischen den restlichen Gebäuden der Gasse machte es einen geduckten Eindruck. Das Mobiliar war bescheiden, aber durch das durch die kleinen Fenster einfallende Licht wirkte es anrührend gemütlich. Alinas Mutter ließ die beiden auf einem Sofa Platz nehmen und servierte ihnen Tee. Dann hörte sie sich ihre Geschichte an. Patrick stellte Peter als bedeutenden englischen Historiker vor, der ganz verzweifelt war, dass das wichtigste Stück seiner Forschung anscheinend von Nazis zerstört worden war. Daraufhin erging sich die Frau in langen und mürrischen Ausführungen über die Besatzer, die Italiener und die Deutschen, und was sie damals angerichtet hätten, über ihre eigene Jugend auf der Insel und wie sich alles seither verändert hätte. Patrick erzählte von ihrem Fund, dem zerstörten Stein, und dass Peter nun seine ganzen Forschungen einstellen müsse, wo er doch an einem Buch über die Geschichte der Insel arbeite. Wie schade es sei, dass keine Zeugnisse aus der damaligen Zeit überlebt hätten.
»Aber ja doch«, warf sie ein. »Wir haben Turkiki Bibliothiki ! Viele Bücher, alte Bücher!«
Peter gab sich interessiert, aber zurückhaltend und fragte nach, bis die Frau begeistert von den Schätzen in der Türkischen Bibliothek sprach. Als sie erwähnte, dass die Faschisten die Bücher nicht bekommen hatten und dass auch heute niemand Zugang zu ihnen habe, lehnte sich Peter betont resigniert zurück.
»Sie wollen sehen?«, fragte die Frau plötzlich mit einem verschwörerischen Seitenblick.
Peter und Patrick sahen sich an, gespielt unsicher und ungläubig. Aber die Alte stand bereits und legte ihre Hand auf die Schulter des Professors. »Sie kommen. Ich zeige Ihnen.«
Dann führte sie die beiden durch die Straßen. Unterwegs redete sie ohne Unterlass darüber, dass niemand die Bücher zu schätzen wisse. Es gäbe nur dumme Touristen, die zwar gutes Geld brächten, aber keinen Sinn für die Geschichte hätten und die Bibliothek nicht zu würdigen wüssten. Sie sei verschlossen, und vielleicht würde irgendwann einmal ein öffentliches Museum daraus gemacht werden, aber es fehle an den Mitteln, um alles zu konservieren, und es sei ja so viel, und niemand wolle sich darum kümmern.
Sie erreichten schließlich ein Gebäude, das sich äußerlich durch nichts von den umgebenden, mittelalterlich anmutenden Häusern unterschied. Lediglich ein kleines Schild neben dem Eingang wies es als Türkische Bibliothek aus. Die Frau zog einen Bund hervor, an dem sie eine Weile den richtigen Schlüssel suchte. Dann öffnete sie die metallbeschlagene Holztür, und sie traten ein.
Vor ihnen lag ein langgezogener Raum mit verhältnismäßig niedriger Decke, wie man es von einem mittelalterlichen Saal erwarten würde. In der Luft hing ein schwer bestimmbarer, würziger Geruch, eine Mischung aus salzigem Rauch und etwas leicht Süßlichem. Den gesamten Fußboden bedeckte ein gewaltiges Mosaik, das aus präzise geformten weißen und schwarzen Steinchen gefertigt war und kunstvolle Muster und Ornamente darstellte. In der Mitte stand ein langer Tisch, von zahllosen Stühlen umgeben. Hier setzte man sich anscheinend hin, um die Bücher zu studieren. Die Bücher, die in einer nicht enden wollenden Reihe von Schränken und Vitrinen die
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