Projekt Wintermond
Nummernschild ein.
Garuda ballte vor Zorn die Fäuste. Er musste sofort die Verfolgung der Entführer aufnehmen und unbedingt mit Mark Ryan sprechen.
Eine Minute später saß er keuchend und schwitzend im Wagen und ließ den Motor an.
78
Jennifer stieg aus dem Chevy und trat in den strömenden Regen. Nick Staves wies ihr mit der Taschenlampe den Weg. Als sie die Veranda erreichten, waren beide nass bis auf die Knochen. »Geben Sie mir den Schlüssel«, sagte Staves.
Jennifer wühlte in ihrer Handtasche und reichte ihm das Verlangte. Staves schloss die Tür auf und ging Jennifer voraus ins Haus. Die Alarmanlage heulte auf. Jennifer schaltete das Licht ein.
»Machen Sie das Licht wieder aus und stellen Sie die Alarmanlage ab, Jennifer«, rief Staves und richtete den Strahl der Taschenlampe auf das kleine Schaltpult der Anlage.
Jennifer tippte den Code ein, und das Heulen verstummte. »Wo bleiben Ihre Agenten?«, fragte sie.
Staves wählte erneut die Nummer und drückte sich das Handy ans Ohr.
»Was ist?«
»Keine Verbindung. Ich kapier’s einfach nicht. Gibt es hier im Haus ein Telefon?«
»Nein, schon lange nicht mehr.«
»Macht nichts«, sagte Staves. »Meine Agenten sind in der Nähe und kennen den Treffpunkt. Ich versuche es nachher noch einmal.«
Plötzlich erhellte das grelle Licht eines Blitzes die Eingangshalle, und Jennifer erstarrte. Mit einem Mal konnte sie keinen Fuß mehr vor den anderen setzen. In dem tosenden Sturm hatte das Haus sich in den verbotenen Ort ihrer Erinnerungen verwandelt . grässliche Erinnerungen an das Drama in jener blutigen Nacht.
Staves, der ihre Angst spürte, strich ihr über den Arm.
»Sie brauchen keine Angst zu haben. Wo sollen wir suchen?«
Jennifer riss sich aus ihrer Erstarrung. »Im Arbeitszimmer, auf dem Speicher und im Keller«, sagte sie leise.
Jennifer betrat das dunkle Arbeitszimmer. Die Terrassentür erstrahlte im grellweißen Licht eines Blitzes. Jennifer tastete nach dem Schalter und knipste das Licht an.
»Sie durchsuchen den Schreibtisch. Ich übernehme die Regale«, sagte Staves.
Das Zimmer hatte sich kaum verändert. Jennifers Blick glitt über den Schreibtisch aus Apfelholz und den Lederstuhl. Die Bücher ihres Vaters und seine Fotos waren verschwunden. Geister. Überall in diesem Haus leben Geister. Es kostete Jennifer große Überwindung, in den Schubladen zu wühlen. Staves suchte derweil nach geheimen Verstecken in den leeren Regalen. Nach zehn Minuten gab er auf. »Es hat keinen Zweck. Wir suchen in den anderen Zimmern. Uns bleibt nicht viel Zeit. Kelso ist uns garantiert auf den Fersen.«
»Glauben Sie wirklich?«
»Der kann an fünf Fingern abzählen, was wir vorhaben. Er wird nicht lange auf sich warten lassen.«
Jennifer und Staves durchsuchten den Speicher und den Keller, ohne etwas zu finden. Anschließend gingen sie in die Küche. Staves schloss die Hoftür auf und öffnete. Der heftige Sturm riss ihm die Tür fast aus der Hand. Keine Sekunde später erlosch das Licht.
Staves knipste seine Taschenlampe an. »Das Unwetter hat einen Kurzschluss verursacht.«
Jennifer schaute durchs Fenster auf den beinahe überschwemmten Garten und die Bäume, die sich im Sturm bogen. Blitze zuckten über den Himmel. Hohe Wellen schlugen gegen das Bootshaus. »Da draußen ist es lebensgefährlich.«
»Geben Sie mir Ihre Hand und lassen Sie nicht los, sonst landen Sie noch im Wasser«, sagte Staves.
»Okay.«
Staves klappte den Kragen hoch und trat mit Jennifer hinaus ins Unwetter.
»Halten Sie hier«, befahl Kelso.
Mark hielt zweihundert Meter von Cove End entfernt. Auf der anderen Straßenseite stand sein Elternhaus. Es brannte kein Licht. Eine Flucht war im Augenblick so gut wie aussichtslos. Kelso hätte sofort auf ihn geschossen. »Lassen Sie den Motor laufen und machen Sie die Scheinwerfer aus. Na los, Ryan! Sonst schieße ich Ihnen eine Kugel in den Kopf. Fahren Sie jetzt langsam weiter.«
Mark näherte sich dem Haus im Schritttempo.
»Halten Sie an und stellen Sie den Motor ab«, sagte Kelso, als sie fünfzig Meter von Cove End entfernt waren.
Das Motorgeräusch verstummte. Eine Windbö ließ den Wagen erbeben. Kelso warf einen Blick auf das dunkle Anwesen, bevor er auf die Uhr sah. »Wir sind früh dran.«
»Was meinen Sie damit?«
»Wir warten.«
»Worauf?«
»Auf einen Anruf. Ich erfahre gleich, wann der Zeitpunkt für unseren großen Auftritt gekommen ist.«
»Ich verstehe nicht .«
»Nur Geduld, Ryan.«
79
Das
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