Projekt Wintermond
schlechte Nachrichten. Jenny ist Bobbys einzige Verwandte. Das wird ein schwerer Schlag für den Jungen.«
»Trotzdem müssen wir ihn mitnehmen. Jennifer will ihn sehen.«
»Davon weiß ich nichts, Officer. Bobby ist derzeit in keiner guten Verfassung. Wir tragen die Verantwortung für ihn, und ohne Genehmigung darf er das Haus nicht verlassen.« Leroy führte die beiden Männer einen verlassenen Gang hinunter. Vor einer Tür mit einer Glasscheibe blieb er stehen. Die Männer sahen Bobby neben dem Fenster in einem Rollstuhl sitzen. Er kritzelte auf ein Blatt.
»Ist er das?«
»Ja, das ist Bobby. Wie schon gesagt, brauche ich eine Genehmigung, damit Sie…«
»Hier hast du deine Genehmigung.« Der Blonde zog eine Pistole aus der Tasche und hämmerte Leroy den Lauf gegen die Schläfe. Der kräftig gebaute Krankenpfleger schnappte benommen nach Luft. Als der Kumpan des Blonden ihm einen wuchtigen Faustschlag verpasste, brach Leroy schließlich zusammen.
Die beiden Männer zogen den bewusstlosen Pfleger über den Gang zu einer Abstellkammer, warfen ihn hinein und verschlossen die Tür.
»Jetzt holen wir uns den Jungen«, sagte der Blonde.
Lou Garuda hatte die Schnauze gestrichen voll. Er war am späten Nachmittag in seine Wohnung zurückgekehrt, wo Angeline im Bett auf ihn wartete. Die nackte Schönheit lächelte ihn an und rekelte sich genüsslich.
»Ich warte schon den ganzen Nachmittag auf dich. Komm her, Lou.«
Doch das Telefonat mit Mark Ryan hatte Garudas Wut entfacht. Er setzte sich auf die Bettkante und zündete sich eine Zigarette an.
»Was ist mit dir?«, fragte Angeline.
Garuda blies wütend den Rauch aus. »Der Fall, von dem ich dir erzählt habe, diese Leiche im Eis .«
»Was ist damit?«
»Irgendetwas ist da faul, aber ich weiß nicht, was.«
Garudas Blick schweifte in die Ferne. Auf seiner Stirn glitzerten Schweißperlen.
»Kannst du deinen Job nicht mal fünf Minuten vergessen, Lou?«
»Tut mir Leid, mein Schatz. Diese Sache bringt mich noch um den Verstand.«
Angeline strich zärtlich über Lous Rücken und ließ ihre Hand zwischen seine Schenkel gleiten. »Warum kommst du nicht zu mir ins Bett? Ich sorg schon dafür, dass du nicht mehr an den Fall denkst .«
Lou Garuda drückte die Zigarette aus, erhob sich und ging zur Tür. »Ich muss wieder los, Liebling. Ich ruf dich an.«
»Wohin gehst du denn so eilig?«
»Ich liebe dich, mein Schatz.«
»Lou…«
Das laute Stöhnen erinnerte Lou Garuda an Sex, wobei er nicht sicher war, ob das Stöhnen Lust oder Schmerz verriet. Garuda war in den Wagen gestiegen und losgefahren, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen und über seine nächsten Schritte nachzudenken. Schließlich hatte er aus mehreren Gründen beschlossen, zum Cauldwell-Pflegeheim zu fahren.
Erstens wollte er wissen, wie es Bobby ging. Zweitens könnte er sein Gespräch mit Ryan fortsetzen, falls er Bobby zufällig besuchte. Drittens wollte er unbedingt noch einmal mit Bobby sprechen. Wahrscheinlich war die Frage, ob sein Vater jemals die Russenmafia oder die Inhaber der Prime International auf den Caymans erwähnt hatte, ziemlich dumm, doch Garuda wollte nichts unversucht lassen.
Als er nun den Gang zu Bobbys Zimmer hinunterlief, hörte er lautes Stöhnen hinter der Tür einer Abstellkammer. Verwundert blieb er stehen. Es hörte es sich an, als hätte jemand schlimme Schmerzen.
»Wer ist da?«, rief Garuda.
Keine Antwort. Garuda drückte die Klinke. Die Tür war verschlossen. Als sein suchender Blick über den Fußboden glitt, entdeckte er den Schlüssel. Er hob ihn auf und öffnete. In der beengten Abstellkammer lag Leroy. Aus einer tiefen Kopfwunde strömte Blut. Seine Augen glänzten in der Dunkelheit.
»He, Mann! Was ist passiert?«
Leroy presste sich stöhnend eine Hand an den Kopf.
»Die Bullen . haben mich zusammengeschlagen .«
»Was?«
»Ich fühle mich, als hätte ein Elefant mir auf dem Schädel rumgetrampelt. Holen Sie einen Arzt, bitte. Und der Junge… der Junge .«
Garuda brauchte ein paar Sekunden, bis der Groschen fiel. »Scheiße!«, fluchte er dann und rannte den Weg zurück zu einer geöffneten Feuerschutztür, die in den Garten führte. Ungefähr hundert Meter hinter dem Parkplatz sah er zwei Männer, die Bobby in einen dunkelblauen Buick stießen und davonfuhren.
Verdammt!
Garuda hatte seine Dienstwaffe nicht bei sich. Sie lag ebenso im Wagen wie sein Handy. Er schaute dem Buick hilflos hinterher. Die graue Abgaswolke hüllte das
Weitere Kostenlose Bücher