Projekt Wintermond
anschließend Selbstmord begangen hat. Aber diese Theorie ist Schwachsinn. Ich tippe auf Mord.«
»Wer hat sie getötet?«, fragte Mark erstaunt.
»Jemand, der die Weiterführung der Ermittlungen vereiteln will. Entweder Paul March oder die Handlanger des Moskaja-Klans.«
»Warum die Moskajas?«
»Ich habe Ihnen von der Computerdiskette erzählt. March hatte Gelegenheit, eine Kopie von den Schweizer Konten seines Arbeitgebers anzufertigen. Mithilfe der Diskette wollten wir eine Verbindung zwischen den Konten und dem Moskaja-Klan herstellen und diese Bastarde an den Hammelbeinen kriegen.«
»Und?«
»March verweigerte die Übergabe der Diskette, bevor er die halbe Million kassiert hatte und er und seine Familie Zeugenschutz genossen. Die Diskette ist mit ihm verschwunden.«
»Was hat Jennifer damit zu tun?«
»Bei der Leiche wurde eine Brieftasche gefunden, deren Inhalt uns einen Hinweis auf March und die Diskette liefern könnte. Ich habe das komische Gefühl, der Moskaja-Klan könnte auf dieselbe Idee verfallen. Darum werden sie alle Hebel in Bewegung setzen, um Jennifer in ihre Gewalt zu bringen und alles, was sie weiß, aus ihr herauszupressen, bevor sie dann getötet wird.«
»Sie benutzen Jennifer als Köder?«, stieß Mark wütend hervor.
Kelso platzte der Kragen. »Hören Sie, Ryan. Ich ermittle seit Jahren in diesem Fall, und ich will ihn endlich lösen. Jennifer ist freiwillig nach Europa geflogen. Ich halte mich zu ihrem Schutz hier auf. Kapieren Sie das nicht? Ich habe Paul March nie für den Täter gehalten. Er soll seine Frau umgebracht, seinen Sohn angeschossen und versucht haben, seine Tochter zu vergewaltigen, um von sich abzulenken? Das ist absurd! Sollte ich mich jedoch irren, muss Jennifer beschützt werden, und zwar nicht nur vor der Russenmafia, sondern vielleicht sogar vor ihrem eigenen Vater.«
Mark wollte ihm gerade eine passende Antwort geben, als Kelsos Handy klingelte und ihr Gespräch unterbrochen wurde. »Was ist?«, rief Kelso ins Handy.
Der CIA-Agent lauschte kurz und erstarrte. »Sind Sie ganz sicher? Die beiden sind nicht da? Okay, fassen Sie nichts an. Verstanden? Wenn Sie etwas finden, rufen Sie mich an. In einer halben Stunde sind wir da.« Kelso schaltete das Handy aus. Seine Miene war düster.
»Was gibt’s?«
»Das war Fellows. Er ist im Kloster. Sie werden es nicht glauben…«
39
Italien
McCaul hatte ein leeres Abteil in einem Wagen in der Mitte des Zuges ausgewählt. Jennifer, völlig erschöpft und mit den Nerven herunter, säuberte ihre schmutzige Kleidung. Aufgrund des heftigen Sturms fuhr der Zug mit verminderter Geschwindigkeit. McCaul starrte durch die nasse Fensterscheibe. »Bis zum Simplon-Tunnel ist es nicht mehr weit.«
Jennifer kannte den Tunnel. Er war fast zwanzig Kilometer lang und verband Italien mit der Schweiz. Sie stand auf, öffnete die Tür und sah sich ängstlich im Wagen um. Ungefähr die Hälfte der Plätze war belegt. Zu den Fahrgästen gehörten Berufstätige, Reisende und eine Gruppe Schüler mit Rucksäcken, die von zwei Lehrern begleitet wurden. Die Kinder sahen aus, als wäre ihr Ausflug in die Berge buchstäblich ins Wasser gefallen. Jennifer konnte die beiden Verfolger nirgendwo entdecken.
»Sie sind nervös«, sagte McCaul, nachdem Jennifer die Tür wieder geschlossen hatte.
»Klar bin ich nervös. Ist doch kein Wunder.« Bei dem Gedanken an das Blutbad im Kloster wurde Jennifer übel. Sie setzte sich und vergrub das Gesicht in den Händen. »Das alles kann doch nur ein Albtraum sein .«
McCaul ging zu ihr und legte ihr einen Arm um die Schultern. »Wir konnten ihnen nicht helfen, Jennifer. Wir wären jetzt ebenfalls tot, wären wir nicht rechtzeitig geflohen.«
»Warum wurden Angelo und seine Mitbrüder umgebracht? Warum ermorden die Männer, die hinter uns her sind, unschuldige Menschen?«
McCaul schüttelte seinen Kopf. »Ich weiß es nicht«, entgegnete er. »Die ganze Sache wird immer unheimlicher.«
Jennifer erhob sich und ging im Abteil unruhig auf und ab, suchte angestrengt nach Antworten auf ihre Fragen.
»Es muss einen Grund geben.«
»Welchen?«
»Mir fällt nur einer ein. Irgendjemandem geht es darum, die Beweise zu vernichten. Das haben Sie selbst gesagt. Vielleicht mussten Angelo und die Mönche deshalb sterben. Sie haben den Mann gesehen, der in dem Schneesturm überlebt hat. Sie sind Zeugen, und der Eintrag im Journal beweist es.«
»Sie könnten Recht haben.«
»Der Mann, der in dem Journal
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