Promenadendeck
lächelte ermunternd. »Ich bin nur eine Viertelstunde zu spät gekommen.«
»Nur eine Viertelstunde? Was heißt nur? Sie kamen zu spät, das Schiff war weg, und nun haben wir den Schlamassel.«
»Was heißt hier Schlamassel?«
»Erlauben Sie mal: Ausreisegenehmigung aus Panama, Einreisegenehmigung in Ecuador, Bezahlung der Flugkarte, Geld wollen Sie auch noch, einen Notpaß sollen wir ausstellen – und das ist kein Schlamassel?«
»Aber für so etwas sind Sie doch da«, meinte Thea Sassenholtz.
Das hätte sie nicht sagen dürfen. Man darf einem deutschen Beamten nie sagen, wozu er da ist! Das weiß er nur ganz allein. Ihn von fremder Seite darauf zu stoßen, heißt ein Heiligtum zu beschmutzen. Nichts ist schlimmer in einer Behördenstube, als erkennen zu lassen, daß man ein Recht auf Leistung hat.
Der gelbgesichtige Konsularbeamte schob seine Brille etwas auf die Nase, betrachtete Thea Sassenholtz über den Brillenrand hinweg wie ein summendes Insekt und lehnte sich dann zurück.
»Nun werden Sie mal nicht frech!« sagte er scharf. »Erst verpennen Sie Ihr Schiff – wohl in Cristobal zuviel getrunken, was? –, vergessen alles, was man an Land, in einem fremden Land, mitnehmen muß, verlieren Ihren Bordausweis, haben kein Geld bei sich … ein bißchen viel, was?! Und jetzt fangen Sie auch noch an, uns, die wir Ihnen helfen wollen, vor den Bauch zu treten! Meine Dame, wozu wir da sind, das wissen wir besser als Sie!« Er wurde ganz amtlich und förmlich und suchte ein Formular aus der Schublade. »Verfügen Sie über die nötigen Mittel, um das Geld, das Sie von uns geliehen bekommen, in Deutschland zurückzahlen zu können?«
»Erlauben Sie mal!« Thea Sassenholtz starrte den Griesgram verständnislos an. »Ich bin die Frau eines in München bekannten Juweliers.«
»Ich habe nicht gefragt, was Sie sind und mit wem verheiratet; ich habe nach Ihrer finanziellen Situation gefragt. Bitte antworten Sie präzise!«
»Ich verfüge über ein Vermögen, meine Finanzen sind hervorragend«, sagte Thea, nun etwas leicht nervös.
»Und warum ist Ihr Mann nicht mitgefahren?«
»Geht Sie das etwas an?!«
»Uns geht alles an, wenn wir Ihnen helfen sollen!« Die Stimme des Gelbgesichtigen hob sich. »Werden Sie nicht auch noch frech …«
»Das haben Sie schon mal gesagt.«
Fehler über Fehler! Thea Sassenholtz, nun störrisch geworden, sah nicht ein, warum man sie hier über ihren Privatbereich verhören wollte. Sie fühlte sich im Recht, aber wer hat schon vor einem deutschen Beamten recht? Wenn ein Bürger einer Behörde etwas zu geben hat, wird er höflich, aber entschieden aufgefordert, das schnell zu tun – im umgekehrten Fall hat man viel Zeit.
»Ich will Ihnen mal etwas sagen!« Der Gallenkranke – oder war's der Magen? – beugte sich über den Schreibtisch. »Wir haben viel Zeit. Uns läuft kein Schiff davon. Wir könnten uns in der Heimat erst erkundigen, ob auch alles stimmt, was Sie da zu Protokoll geben. Das kann eine Woche, das kann zwei Wochen dauern …«
»Dann ist das Schiff ja schon auf der Fahrt zu den Osterinseln. Wie komme ich denn da hin?« rief sie entsetzt.
»Haben wir das Schiff verschlafen? Es stände ihnen also gut, wenn Sie alle Fragen korrekt beantworten. Sie könnten zum Beispiel Ihrem Mann davongerannt sein – wie ist dann die finanzielle Lage?«
»Das ist unerhört!« schrie Thea Sassenholtz auf. »Ich werde mich in Deutschland beim Außenministerium beschweren.«
Es gibt für einen Beamten nichts Schlimmeres, als anzudrohen, sich bei einer vorgesetzten Stelle über ihn zu beschweren. Nicht, weil er das fürchtet – die übergeordnete Behörde wird immer zunächst zugunsten des Angezeigten tätig werden –, sondern weil er eine solche Androhung als einen Angriff betrachtet. Bedrohte Beamte werden deshalb gefährlicher als ein verwundeter Tiger.
Der Gelbgesichtige schlug denn auch mit der flachen Hand auf den Schreibtisch, holte tief Luft, aber es erfolgte keine Explosion, sondern bloß der Satz: »Wir können auch anders, meine Dame!« Dann griff er zum Telefon, rief das Einwandereramt an und sagte auf englisch: »Sie haben uns da eine Frau Sassenholtz geschickt. Ja, die, die das Schiff angeblich verpaßt hat …«
»Ich habe es verpaßt!« rief Thea dazwischen. »Ich habe es verpaßt!«
»Ruhe!!« Die Hand klatschte wieder auf die Tischplatte. »Ja, es gibt da noch einige Schwierigkeiten. Sie hören wieder von uns. Danke.« Er legte den Telefonhörer auf und lehnte
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