Promenadendeck
seine Nacht, und während er sie küßte und streichelte und übergangslos zum zweitenmal liebte, dachte er daran, daß morgen an seiner Stelle Hans das gleiche tun würde.
Es war ein Gedanke, der ihm weh tat und ihm bewies, wie unentrinnbar er dieser Frau verfallen war.
Zwei Tage wieder auf See, an der Küste Südamerikas entlang, ohne sie zu sehen. Ziel war Callao, die große Hafenstadt Perus – ein riesiges Gebiet von Slums, das wie ein Giftpilz bis nach Lima, die Hauptstadt, hineinwucherte.
Knut de Jongh hatte es bei Cruisedirektor Manni Flesch durchgesetzt, daß am nächsten Nachmittag die Revanche im Tontaubenschießen stattfand. Kapitän Teyendorf, dem Flesch diesen Wunsch vortrug, stimmte zu.
»Das wird eine ernste Sache, Herr Kapitän«, sagte Manni Flesch warnend. »Hier geht es für Herrn de Jongh um mehr als um ein paar Tonscheiben.«
»Um was sonst? Nun drucksen Sie nicht so herum: Manni. Was brodelt da im Hintergrund?«
»Immer das gleiche: Cherchez la femme.«
»Sylvia de Jongh?« Teyendorf hatte sie inzwischen mehrmals beobachten können, sie war ja auch nicht zu übersehen. »Ich habe so etwas befürchtet, Manni. Die Frau ist eine tickende Zeitbombe.«
»Ich will nichts gesagt haben, Herr Kapitän.« Flesch hob abwehrend beide Hände. »Sie kennen das doch: Der Klatsch und Tratsch an Bord ist immer in Hochform. Auf jeden Fall wird es ein spannendes Schießen.«
»Das sehe ich mir an. Wenn ich zwischen den Kampfhähnen stehe, werden sie sich zusammenreißen. Vielleicht schieße ich als neutraler Dritter sogar mit.«
Die zweifelnde Miene von Manni Flesch, mehr aber noch das »Nana!« regten Teyendorf auf. Brüsk fragte er: »Was heißt hier Nana?! Trauen Sie mir das nicht zu?«
»Mutig waren Sie schon immer, Herr Kapitän.«
»Dazu braucht man keinen Mut!«
»Ich meine doch. Die Passagiere erwarten von ihrem Kapitän ganz selbstverständlich, daß er siegt. Jede Niederlage ist eine kleine Blamage und schadet dem Image.«
»Da ist was Wahres dran, Manni.« Teyendorf überdachte schnell seine Chancen. Er war stets ein guter Schütze gewesen, und bei Wettbewerben im Tontaubenschießen auf den großen Containerschiffen, wo ein solcher Wettkampf während der weiten Reisen zu den wenigen Abwechslungen gehörte, hatte er eigentlich immer gewonnen. Sobald er ein Frachtschiff-Kommando übernahm, war jedesmal seine erste Frage gewesen: »Ist ein Tontaubenschußgerät an Bord?« Wenn nicht, wurden sofort vier Gewehre, Munition, Tonscheiben und ein Katapult aufs Schiff gebracht. Man hatte sich daran gewöhnt; das gehörte zu Teyendorf wie sein Pflichtgefühl und eine gewisse Unnahbarkeit und Strenge. Trotzdem oder gerade deswegen liebten ihn die Besatzungsmitglieder – von den chinesischen Wäschern tief unten im Bauch des Schiffes in der großen Wäscherei und an den dampfenden Heißmangeln bis zum Jungmatrosen, der die Ankerketten schmieren mußte oder in den Häfen bei längerer Liegedauer an der hohen Schiffswand auf einem von zwei Seilen gehaltenen Brett hängend Farbschäden mit weißem Lack ausbessern. Für sie alle war Teyendorf intern ›Der Alte‹, so wie bei der Marine seit Urzeiten der Kapitän hieß. Nur laut durfte man es nicht sagen. Was Teyendorf gar nicht mochte, war ›Der Alte‹ oder das lässige ›Käpt'n‹. Niemand vergaß auf der Atlantis den Zusammenstoß zwischen ihm und einem neuen Steward, der Archibald hieß und ihn Käpt'n nannte. »Ich heiße Kapitän!« hatte Teyendorf gebrüllt. »Ich sage zu Ihnen ja auch nicht Arsch!«
Es wurde auf dem Schiff zum geflügelten Wort.
»Ihr werdet euch wundern!« sagte Teyendorf und klopfte Manni Flesch auf die Schulter. »Ich kann mehr, als diesen Pott durchs Wasser schieben.«
Um 15 Uhr begann die Revanche zwischen Knut de Jongh und Hans Fehringer. Alle Decks waren voll von Neugierigen, als finde eine Äquatortaufe statt. Es hatte sich wie ein Buschfeuer im Schiff herumgesprochen: Da gibt es ein Duell ganz besonderer Art. Um so verblüffter war de Jongh, als plötzlich Kapitän Teyendorf die Treppe zum Hauptdeck herunterkam, elegant in weißer Hose und mit weißem, kurzärmeligem Hemd, die weiße Kapitänsmütze mit dem goldenen Eichenblattrand auf dem Kopf. Der Maat an der Wurfmaschine grinste breit; es fehlte bloß, daß er stramm stand.
»Das ist gut!« sagte Knut de Jongh siegessicher. »Der Kapitän als Schiedsrichter. Da kann nichts mehr schiefgehen.«
»Irrtum!« Teyendorf ging an den Tisch, auf dem die Gewehre lagen,
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