Promenadendeck
nahm jedes in die Hand und wog es und prüfte, ob es gut in seinen Händen lag. Der Fachmann nennt ein solches Gewehr Skeetflinte, der Lauf hat eine ganz besondere Bohrung. »Ich mache mit. Die hier« – er hob eine Flinte hoch – »nehme ich. Sie können natürlich auch damit schießen, meine Herren.«
»Sie wollen mitmachen?« fragte de Jongh gar nicht begeistert.
»Warum nicht?« Teyendorf machte eine kreisende Kopfbewegung. »Sehen Sie sich mal um: Das ganze Schiff liegt auf der Lauer. Auf wieviel Schuß einigen wir uns?«
»Auf zwölf!« De Jongh grinste. »Wir haben zwölf Apostel und zwölf Monate, die zwölf ist durch vier teilbar, und dreimal vier ist eine magische Zahl. Es kann gar nichts schiefgehen.«
»Damit einverstanden?« fragte Teyendorf, zur Seite gewandt, Hans Fehringer.
»Einverstanden.« Hans Fehringer lehnte lässig an der Reling, er hatte auf dem Sonnendeck Sylvia entdeckt. Ungeniert sah er zu ihr hinauf. Sie verbarg ihr Gesicht hinter einer riesigen Sonnenbrille und hatte die Lockenhaare mit einem seidenen Kopftuch verdeckt. Trotzdem schielten die anderen Damen feindlich zu ihr hin; ihr Bikini war so knapp, daß es eigentlich dieses wenigen Stoffes nicht bedurft hätte – es sei denn, sie wollte ihren nackten Körper noch provozierender zeigen; die schmalen bunten Textilstreifchen des Bikinis machten ihn noch erotischer.
»Wer fängt an?«
»Natürlich der Herr Kapitän als Hausherr!« rief de Jongh.
»Den Vortritt haben immer die Gäste.« Teyendorf trat zurück. »Bitte, meine Herren!«
Die Reihenfolge stand nun fest: de Jongh – Fehringer – Teyendorf. Man einigte sich auf ein neues Verfahren: Es sollte nicht jeder die Zwölferserie hintereinander schießen, sondern jeder hatte einen Schuß reihum. Das erhöhte die Spannung und ließ die Nerven vibrieren – und es war gefährlich, denn beim Tontaubenschießen sind völlige innere Ruhe und Konzentration schon der halbe Sieg.
Der erste Schuß. Treffer bei allen dreien.
Der zweite Schuß. Kapitän Teyendorf schoß daneben.
Der dritte Schuß. Ein Fehler bei de Jongh. Er drückte ab, als die Scheibe schon abwärts stürzte. Da trifft man selten.
Beim erneuten Schuß lagen sie alle drei wieder gleichauf. Jeder hatte einen Treffer vergeben. Auf den Decks herrschte atemlose Stille. Am Schwimmbad stellte sich die Bordkapelle auf, um nach Ende des Duells erst einen Tusch und dann flotte Marschmusik zu spielen. Auch die beiden Geistlichen lehnten an der Reling und blickten hinunter auf den Schießstand.
»Da fehle ich!« sagte Pater Brause. »Die würde ich wegputzen.«
»Sie?« Der evangelische Pfarrer sah seinen Amtskollegen verblüfft an. »Woher können Sie schießen?«
»Das ist ganz einfach.« Pater Brause zwinkerte listig mit den Augen. »Ich bete vor jedem Schuß: Jesus, blamier uns nicht … und schon ist der Treffer sicher.«
Sie lachten beide, der zehnte Schuß knallte – und alle drei schossen daneben. Knut de Jongh hatte ein verkniffenes Gesicht. Noch zwei Patronen und dann unentschieden. Eine schöne Scheiße! Kann man mit zwei Schüssen noch siegen? Auch die anderen sind ja keine Pfeifen. Breitbeinig stand er an der Reling, das Gewehr im Anschlag, und atmete tief durch. Ruhe, Knut, absolute Ruhe. An nichts anderes denken.
»Hopp!«
Noch im wegwehenden Knall zerplatzte die Tonscheibe. De Jongh spürte, wie sein Gesicht zu zucken begann. Wenn dieser blonde Affe jetzt auch trifft, dachte er, wird er nicht mehr zum letzten Schuß kommen. Ich werde ihn in den Arsch treten. So schnell kann der Kapitän gar nicht dazwischenspringen. Und was alle anderen dann von mir denken, kümmert mich einen Dreck.
Er trat zurück, gab das Feld für Fehringer frei und starrte mißmutig in das von der Schiffsschraube weiß schäumende Meer. Hans Fehringer warf einen Blick nach oben zum Sonnendeck. Sylvia hatte die Hände gefaltet und ließ sie die Reling herunterhängen. Er verstand sie. Bitte, schieß daneben, hieß das. Verliere einmal, Liebling. Mir zuliebe. Ich weiß ja, daß du besser bist … immer, nicht nur beim Schießen. Laß ihm den kleinen Triumph – er hat seine Tontauben, aber du hast mich. Was willst du mehr? Laß ihn doch gewinnen.
»Hopp!«
Die Tontaube schnellte hoch in den wolkenlosen, tiefblauen Himmel, Fehringer riß die Flinte hoch. In den Schuß hinein flog ein vielstimmiges »Ohhh!«
Daneben. Knut de Jongh kaute an seiner Unterlippe. Wie schießt Teyendorf?
Nach einer Minute wußte man es. Auch
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