Promenadendeck
zurück und kam auf Deck, als sich Theodor Pflugmair und de Jongh begrüßten. Sie kannte Pflugmair, diesen Koloß, nur vom Sehen und war erstaunt, daß Knut ihn behandelte wie einen guten Freund.
»Das ist Theo!« rief de Jongh, als Sylvia bei ihnen war. »Und das ist meine Frau, Theo.«
»Die Miß Atlantis! Da legst di nieder! Gnä' Frau, meine Verehrung …«
Er machte eine Verbeugung, die aber nicht den Eindruck vertrieb, den Sylvia plötzlich von ihm hatte. Er schaut mich so komisch an, dachte sie. So fragend. So herausfordernd. So plump vertraut. Ein widerlicher Mensch.
»Theo ist ein wahrer Kumpel!« sagte de Jongh fröhlich. »Er hat mich im Hospital heimlich mit Bier versorgt.«
»Ach, Sie waren das?« Sylvia legte sich wieder in ihren Liegestuhl. »Darauf sind Sie wohl auch noch stolz?«
»Und wie! Bier is unersetzliche Medizin. Und daß a Preuß davon auch g'sund wird, is scho a Leistung …«
Pflugmair blieb nur kurz. In der Atlantis-Bar brauchte man den dritten Mann zum Skat. »Ist das dein neuer Freund?« fragte sie, als der Koloß wegdonnerte.
»Ja. Ein unersetzlicher Freund. Ich verdanke ihm viel.«
»Bier …«
»Auch. Er hat mir sehr geholfen und mich schneller wieder auf die Beine gebracht, als ich selbst hoffte. Zuerst haben wir uns angespuckt: ›Du Saupreuß!‹ – ›Du bayrisches Urviech!‹ Aber dann verstanden wir uns fabelhaft. Er hat sich genauso hochgearbeitet wie ich. Er lag unter den Autos, ich stand am Amboß. Nur mit einem kann ich nicht mithalten: Er fährt allein durch die Welt und weiß genau, daß seine Frau ihn betrügt, wenn er weg ist. Und er nimmt das einfach so hin. Beim Bierglas, das unterm Meßstrich eingeschenkt ist, wird er wild wie ein Stier, aber seine Frau läßt er in der Welt herumvögeln.«
»Hast du keine anderen Worte dafür als diese ordinären Ausdrücke?«
»Aber bitte: Frau Pflugmair wohnt einem anderen Mann bei … Es bleibt trotzdem ein Vögeln! Ich wäre da nicht so ruhig.«
»Was würdest du tun?« fragte sie leichthin, aber ihr Herz begann schneller zu schlagen.
»Wenn du durch die Gegend bumst? Ich weiß es nicht, ich habe ja diese Situation noch nicht erlebt.« Er sagte es so frei von Nebentönen, daß Sylvia innerlich aufatmete. »Aber ich könnte mir denken, daß ich durchdrehe. Dir und deinem Geliebten die Knochen brechen, wäre das mindeste.«
»Und was hättest du davon?«
»Die Gewißheit, daß dich keiner mehr mit ins Bett nimmt!« De Jongh blickte an ihr vorbei aufs Meer und auf die Fregattvögel, die schon von Tahiti herübergekommen waren und die Atlantis begleiteten. Von den Aufwinden getragen, umtanzten sie elegant das Schiff. »Dafür täte ich alles.«
Sie zog die Schultern hoch, schloß die Augen und fragte nicht weiter. So lag sie fast unbeweglich in der Wärme und dem streichelnden Wind, bis de Jongh seine dicke Hand auf ihren Oberschenkel legte und sagte: »Zeit zum Mittagessen. Gehen wir ins Restaurant oder bleiben wir hier und holen uns was vom Büffet?«
»Ganz wie du willst.«
»Dann bleiben wir an Deck. Hast du großen Appetit?«
»Nein.«
»Ich auch nicht. Aus der Besatzungsküche gibt es heute für alle Klopse mit Kapernsoße und Salzgurken. Klopse! Nach all dem vornehmen Essen endlich Hausmannskost. Ißt du auch Klopse, Liebling?«
Das Wort ging ihm mühelos von den Lippen. Sie nickte und hielt die Augen geschlossen. Erst als de Jongh zum Büffet stampfte, blickte sie ihm nach und sah auch, daß Fehringer ebenfalls das Deck verließ, um ins Restaurant zu gehen. Sie atmete auf, setzte sich und verschwendete keinen Gedanken mehr an de Jonghs versteckte Drohungen.
Dabrowski war enttäuscht.
Der vergangene Abend, an dem Beate den teuren Schmuck aus dem Juwelengeschäft von Heinrich Ried getragen hatte, war ein Reinfall geworden, von seiner Warte aus gesehen. Carducci war auf die Lockung nicht hereingefallen. Unter den Kavalieren , die Beate zum Tanz aufforderten, war niemand gewesen, der Carducci hätte sein können. Weder Dr. Schwarme kam in Frage noch der höfliche und stille Weinhändler Tatarani, ganz zu schweigen von den drei Offizieren, die später abwechselnd Beate mit Beschlag belegten und anderen Herren keine Chance mehr einräumten. Die ganze Nacht über hatte Dabrowski in Beates Kabine am Tisch gesessen, während sie fest schlief, müde vom Tanzen und vom Wein. Der Schmuck lag offen neben ihr auf dem Nachttisch; wenn Carducci lautlos kam, einem Schatten gleich, was seine Spezialität war,
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