Promenadendeck
sein verschwitztes Polohemd gegen ein buntes Hawaiihemd. »Laß die Finger davon!«
»Ich kann ohne Sylvia nicht mehr sein.«
»Blödsinn. Willst du sie mitnehmen?«
»Ja.«
»Und dann erfährt sie, was für Ganoven wir sind. Händler, die aufgemotzte Unfallwagen als ›Aus erster Hand, garagengepflegt‹ verkaufen. Glaubst du, die bleibt dann noch einen Tag bei dir? So toll kannst du im Bett gar nicht sein, als daß sie bereit wäre, ihr Leben als Luxusweibchen aufzugeben. Sie hält dich doch für einen geldschweren Jungen.«
»Es wird sich alles regeln, Herbert.« Hans Fehringer hatte sich wieder hingelegt und kreuzte die Arme unter seinem Nacken. »Du hast ja keine Ahnung, was Frauen aus Liebe tun können.«
»Und wenn … ich mag Sylvia nicht, vor allem nicht als Schwägerin.«
Der letzte Teil des Satzes war ehrlich gemeint; der große Kampf um Sylvia stand noch aus. Und Sylvias Entscheidung: Hans oder Herbert. Wenn Herbert Fehringer daran dachte, lief ihm eine Gänsehaut über den Rücken.
Er ging den Kabinengang entlang zum Speisesaal, nachdem er sich vergewissert hatte, daß ihr Kabinensteward nicht in der Nähe war, betrat das Restaurant und atmete auf, als er de Jongh und Sylvia nicht an ihrem Tisch sitzen sah. Um seine scheinbar geringe Eßlust wegen des späteren Nichterscheinens von Hans zu erklären, sagte er zu dem Tischsteward: »Mir ist heute gar nicht gut. Der Magen. Gestern abend der Hummercocktail … ich kann ihn einfach nicht vertragen, und trotzdem esse ich ihn immer wieder.«
Immerhin aß er mit verdorbenem Magen fünf Gänge, aber für die das Doppelte gewohnten Stewards war das wirklich ein Zeichen großer Verstimmung.
De Jongh ließ Sylvia nicht aus den Augen. Auf dem Weg zum Mittagsbüffet stellte er fest, daß der Liebhaber seiner Frau gegangen war, er machte auf dem Rückweg zu seinem Liegestuhl deshalb noch einen Umweg zu den Tischen vor der Atlantis-Bar, wo auch Pflugmair saß und gegen einen Berg von Klopsen und Kartoffeln kämpfte. Daneben stand ein halber Liter Bier, der alle zehn Minuten gegen ein frisches Glas ausgetauscht wurde. Pflugmair schüttete das Bier in sich hinein, so wie man früher auf dem Dorf einen Brand mit Eimern löschte.
»Hast ihn g'sehen?« fragte er. De Jongh, beide Hände mit Tellern besetzt, nickte. »Und gesprochen, Theo.«
»Hast ihm Watschen ang'boten?«
»Gar nichts. Er soll sich völlig sicher fühlen. Ich nehme ihn mir vor, wenn er gar nicht daran denkt. Wie wär's, wenn wir heute abend gemeinsam essen und anschließend das ›Schlager-Festival‹ besuchen?«
»I an deinem Tisch? Da wird's sauer werden, das Madel.«
»Nichts wird sie. Ich sehe es ihr ja an: Sie hat Angst, fürchterliche Angst um ihren blonden Bock. Um von ihm abzulenken, schluckt sie auch deine Gegenwart. Im Augenblick ist sie weich wie Knetgummi … nur aus Angst, das sag ich dir. Die geht nie mehr fremd!«
Er kam zu der wartenden Sylvia zurück, gab ihr einen der Teller und setzte sich auf seinen Liegestuhl. Schmatzend begann er, die Klopse zu essen.
»Wo warst du noch?« fragte Sylvia. »Plötzlich warst du verschwunden.«
»An einem der Tische vor der Atlantis-Bar saß Pflugmair.«
»Der Riesenelefant?«
»Ich habe ihn für heute abend eingeladen.« Er schielte zu ihr hin. »Hast du was dagegen?«
»Gar nichts.«
»Du magst ihn doch nicht.«
»Man muß oft Menschen ertragen, die man am liebsten zum Teufel wünscht.«
Ganz recht, du Satan, dachte de Jongh bitter. Ich verstehe den Wink. Aber ehe ich zum Teufel fahre, läufst du voraus. Einen Knut de Jongh schüttelt man nicht ab wie einen Regentropfen.
Den ganzen Nachmittag verbrachten sie auf Deck, schwammen zusammen im Pool, spielten eine Runde Shuffleboard, aßen Kuchen und tranken Kaffee und gingen dann hinunter in die Halle des Oberdecks. Hier befanden sich die Modeboutique und der Juwelierladen. An den Wänden, in großen beleuchteten Glasschaukästen, hingen die Fotos des Bordfotografen von den Landausflügen oder den Festlichkeiten im Sieben-Meere-Saal. Man konnte diese Fotos zur Erinnerung bestellen. Das Geschäft ging gut. Nichts reizt mehr, als sich selbst in Farbe abgebildet zu sehen, im Abendkleid oder vor einer der Steinfiguren auf der Osterinsel, bei der Polonaise des Kostümballs oder beim Händedruck mit Kapitän Teyendorf. Lauter fröhliche Menschen – das ist der süchtig machende Honig einer Kreuzfahrt.
De Jongh blieb vor den scheinwerferüberfluteten Schaufenstern des Juwelierladens
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