Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Promenadendeck

Promenadendeck

Titel: Promenadendeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
wohligem Grunzen versank er ganz in diesem Traum.
    Die Fehringer-Zwillinge bereiteten sich für das Mittagessen vor.
    Mit dem Frühstück hatten sie keine Schwierigkeiten. Herbert aß im Speisesaal, Hans ließ sich das Frühstück auf die Kabine servieren. Da ein Kabinensteward, der das Kabinenfrühstück für Passagiere in seiner Deckpantry zusammenstellt, keine Ahnung davon hat, was gleichzeitig im Speisesaal passiert, konnte dieses Morgendoppel nie auffallen. Es war natürlich möglich, auch die Mittags- und Abendmahlzeit in der Kabine zu bestellen, aber das kam eigentlich nur bei Kranken vor. Ganz selten, daß jemand allein oder zu zweit intim speisen wollte. In einem solchen Fall verwandelte sich die Kabine in ein Chambre séparée und der Kabinensteward in einen verschwiegenen Vertrauten und Mitwisser. Wenn jemand abends eine Flasche Champagner mit zwei Gläsern, Kanapees, einen Korb voll Frischobst und Knabbergebäck bestellte, wußte jeder Steward, daß er diese Kabine nur betreten durfte, wenn er gerufen würde.
    Die Fehringer-Zwillinge hatten ihre Reise so eingeteilt, daß in der ersten Woche der ›fliegende Wechsel‹ im Speisesaal stattfand, in der nächsten Woche einer krank wurde und auf der Kabine speiste und die dritte Woche wieder der Geschicklichkeit gehörte. Spätestens in dieser dritten Woche begriff der Tischsteward nicht mehr, wie ein Mensch zweimal zu Mittag und zweimal zu Abend essen konnte, ohne dick wie ein Faß zu werden.
    »Uhrenvergleich«, sagte Herbert Fehringer, als bereite er einen Angriff vor. Er war der ›Ältere‹ der Zwillinge; genau siebenundvierzig Minuten früher hatte er das Licht der Welt erblickt. Hans, von ihm ›Kleiner‹ genannt, respektierte diese Vormachtstellung. »Es ist jetzt 12 Uhr 53.«
    »Genau.«
    »Um 13 Uhr 30 stehe ich vom Tisch auf, bin um 13 Uhr 32 in der Toilette und um 13 Uhr 40 sitzt du am Tisch.«
    »Verstanden.«
    Sie stellten sich noch einmal vor den großen Spiegel und überprüften Aussehen und Kleidung. Der gleiche Haarschnitt, vom Gesicht ganz abgesehen, das gleiche Hemd, die gleiche Krawatte, Strickjacke, Hose, Strümpfe, Schuhe … es gab keinen Unterschied.
    Zufrieden nickten sie sich im Spiegel zu und grinsten breit. Das war jetzt ihre dritte Schiffsreise auf diese Art, und nie hatte es Komplikationen gegeben. Sie hatten immer die größten Kreuzfahrtschiffe genommen, weil sich natürlich dort, bei sechshundert und mehr Passagieren, bei zwei Essenszeiten und über zehn Decks ein einzelner Mensch in der Masse verlor – auch wenn er zweimal auftrat. Das schwierigste Schiff, das erkannten sie schon am ersten Tag, würde jetzt die Atlantis sein, weil fast die Hälfte der Passagiere Repeater waren und sich kannten. Und weil im Schiff trotz seiner Größe eine angenehm intime Atmosphäre herrschte. Es war unmöglich zu verhindern, daß man sich spätestens nach einer Woche untereinander kannte, wenn nicht mit Namen, so doch vom Sehen. Man grüßte sich höflich, wechselte an den Bars vielleicht sogar ein paar unverbindliche Worte – und genau darin lag die Gefahr für die Fehringer-Zwillinge. Es konnte möglich sein, daß beim Wechsel auf der Toilette jemand die doppelte Ausführung entdeckte. War erst der eine wieder im Speisesaal und der andere in der Kabine, hatte man das Spiel an diesem Tag gewonnen.
    Herbert Fehringer nahm noch einen tiefen Zug aus seiner Zigarette. Eine lange Glutspitze entstand, und als Herbert sich wegwandte zum Tisch, fiel die Glut plötzlich ab und landete auf dem Ärmel seiner Strickjacke. Ein widerlicher Geruch stieg auf, ein Brandfleck war entstanden, so schnell Herbert auch die Glut ausschlug. Die Jacke war verdorben. Wenn der Wechsel im Speisesaal stattfinden sollte, mußte auch Hans seinen Jackenärmel versengen.
    »Verdammte Scheiße!« sagte Herbert Fehringer. »Ich zieh mich nicht wieder um! Du gehst rauf, und ich spiele heute den Kranken. Dafür wechseln wir am Abend, da bleibst du auf der Kabine. So schnell kann man nicht gesund werden. Morgen dann die normale Tour.«
    Irgendwie mußte hier das Schicksal mitgespielt haben, denn dieses Mittagessen wurde entscheidend für die Fehringer-Zwillinge.
    Vor dem noch geschlossenen Speisesaal, in der Menge der wartenden Passagiere, begegnete Hans Fehringer einer Frau: Sylvia de Jongh.
    Es traf ihn wie ein Blitz.

3.
    Wer Sylvia de Jongh begegnete, der konnte gar nicht anders als fasziniert sein.
    Sie war eine jener seltenen Frauen, die auf Männer wie Rauschgift

Weitere Kostenlose Bücher