Promijagd
eine Zeitung gekauft und ein Zweieurostück hingelegt hast.«
»Nein, dass Völlenklee mit einer Künstlerin namens Corinna Natschinski liiert ist. Ich hab mich mal bei den Nachbarn in der Dieffenbachstraße umgehört.«
»Geil!«, rief Mannhardt und fügte, als sein Enkel die Augenbrauen zusammenzog, noch hinzu, dass man auch im hohen Alter lernfähig bleiben müsse. »Corinna also …«
»Ja, und der Dame bin ich unauffällig gefolgt. Und weißt du, wo sie war?«
»Im Herzzentrum. Cor, das Herz.«
»Quatsch, sie war bei einem Schönheitschirurgen.«
»Lippen spritzen oder Fett absaugen lassen?« Orlando wurde langsam ungehalten. »Das weiß ich doch nicht, ich war nicht mit ihr drin. Der Mann heißt Mägdesprung und hat seine Praxis in der Wernerstraße.«
»Was denn: der in Kaulsdorf?«
»Nein, der im Ortsteil Grunewald.«
»Logisch, ja. Aber was sollte es bei einem Schönheitschirurgen zu erpressen geben?« Mannhardt fehlte es auch da an der nötigen Fantasie.
»Vielleicht wegen der Namen seiner Patientinnen«, mutmaßte sein Enkel. »Nicht jede Prominente liest gern in der Zeitung, dass sie geliftet worden ist.«
»Gelüftet worden?«, fragte Mannhardt.
»Das kommt auf dasselbe raus.«
»Mägdesprung macht Frauen wieder jung«, reimte Mannhardt. »Wir sollten mit dem Guten mal sprechen, vielleicht schafft er es auch bei mir.«
»Ja, komm, mein Auto steht im Parkhaus.«
Beide waren zu faul, über die optimale Route nachzudenken, Orlandos Navigationsgerät sagte ihnen jedoch, dass sie über die Osloer und die Seestraße zur Stadtautobahn mussten und die Ausfahrt Halensee zu nehmen hatten.
Nachdem sie losgefahren waren, fragte sich Mannhardt, welche Strategie am besten einzuschlagen war.
»Wenn man nur wüsste, ob diese Corinna als Patientin oder als Erpresserin bei ihm gewesen ist.«
»Als Erpresserin natürlich. Die ist Bildhauerin und Malerin und kein Filmstar oder eine aus der High Society.«
»Vielleicht wollte sie sich selbst als liegenden Akt malen und hat sich an ihrer Cellulitis und ihren Speckrollen an den Hüften gestört«, gab Mannhardt zu bedenken.
Orlando schüttelte den Kopf. »Nein, die ist groß und schlank und hat kein Gramm Fett zu viel am Körper.«
Mannhardt akzeptierte das und wusste dennoch nicht weiter. »Sollen wir nun als Patienten kommen oder gleich sagen, dass wir so etwas wie Privatdetektive sind?«
»Er wird gar keine Männer als Patienten nehmen«, vermutete Orlando.
»Doch. Er kann mir meine Falten im Gesicht wegmachen oder meine Tränensäcke verkleinern. Und manche Männer sollen sich ja auch den Penis verlängern lassen!«
»Mensch, Opa!«, rief Orlando.
»Entschuldige, aber als Ergänzung zu Viagra.« Vom GPS sicher geleitet, erreichten sie die Villa in der Wernerstraße, fanden einen Parkplatz und stiegen aus.
»Ein Slum ist das hier nicht gerade«, stellte Mannhardt fest. »Wen kann ich denn mal erpressen, damit ich mir hier ’ne Villa kaufen kann?«
Orlando überlegte einen Augenblick. »Vielleicht Claudius, weil der Hamlets Vater umgebracht hat.«
»Nee, du, dazu ist mein Englisch zu schlecht.« Orlando kam ihm mit den Worten des Polonius:
»Though this be madness, yet there is method in’t.« Das galt wohl auch für das Unternehmen dieses Leon Völlenklee.
Sie standen vor Dr. Mägdesprungs Villa und kamen sich vor wie Bettler. Alles hier war Macht und Reichtum und ließ Menschen wie sie zu Würmern werden. Dabei steckten nicht sie im Sumpf, sondern dieser Chirurg. Orlando fasste sich ein Herz und klingelte. In der Gegensprechanlage knackte es. Zu ihrer Überraschung war es Mägdesprung selbst, der sich meldete, wenn auch mit einem abweisenden »Was ist?«
»Mannhardt mein Name, Kriminalpolizei, wir ermitteln wegen einer Serie von Erpressungen und hätten Sie gern einmal gesprochen.« Das war Amtsanmaßung, und wenn Mägdesprung nach seiner Marke fragte, war er aufgeschmissen. Mannhardt hatte eigentlich gar nicht vorgehabt, so zu tricksen, es war ganz automatisch gekommen. Und Mägdesprung ließ sich wirklich überrumpeln, was ein Indiz dafür war, dass Corinna Natschinski tatsächlich als Erpresserin bei ihm gewesen war.
Als Mägdesprung ihnen entgegenkam, hatte Mannhardt Mühe, vom Gedanken loszukommen, dies sei eine Zeitreise, denn der Arzt sah nicht nur unverschämt gut aus, sondern schien geradewegs aus dem deutschen Nachkriegsfilm zu kommen und eine Mischung von Willy Birgel, Gerhard Riedmann und Rudolf Prack zu sein.
»Ich darf
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