Promijagd
Gemüse, Frühlingsluft in Stangen, essbares Elfenbein.«
Orlando sah Dr. Narsdorf an. »Ist Spargel wirklich so gesund?«
»Der Asparagus – ja. Außer für Triebtäter und für Leute mit einer gewissen Neigung zur Gicht, wegen des hohen Gehaltes an Purin.«
»Ah ja. Und warum nicht für Triebtäter?«
»Früher stand in Apothekenbüchern der Satz: ›Spargel in der Speise genossen, bringt lustige Begier den Männlein.‹ Und schon in der Antike sagte man dem Spargel in dieser Hinsicht wundersame Kräfte nach, junge Römer haben sich den Spargel als Liebesamulett um den Hals gehängt.«
Mannhardt schielte zu den dünnen Spargelstangen hinüber, die das junge Paar am Nebentisch auf den Tellern liegen hatte. »Ich weiß nicht: der Spargel als Phallussymbol? Männer mit dieser mäßigen Ausstattung sollten sich schleunigst zu Ihnen in die Therapie begeben.«
Orlando konnte nur mit Mühe ein Grinsen unterdrücken. »Aber nicht, wenn sie im Internet nach einer Partnerin suchen.«
»Wieso?«, fragte Narsdorf – und schlug sich daraufhin mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Klar! Wer den Schaden hat, Stichwort: Völlenklee.«
Bevor sie zum Thema Erpressung kommen konnten, waren die Bestellungen aufzugeben. Anschließend fasste Mannhardt zusammen, was sie bisher herausgebracht hatten: »Dr. Mägdesprung, der Chirurg, und Sören Fröttstädt, der Pilot, werden mit Sicherheit von Völlenklee erpresst, obwohl sie es mit Nachdruck abstreiten. Wir hoffen nur, dass die beiden wirklich Ihre Patienten sind?«
»Ja, sind sie. Und weiter?«
»Bei Jöllenbeck wissen wir es nicht und bei der
Sängerin Millie Malorny vermuten wir es.«
»Gut«, murmelte Narsdorf.
»Vermisst du da noch einige Namen?«, fragte Orlando.
»Die eigentliche Prominenz?«, hakte Mannhardt nach. »Ob Sie uns nicht doch den einen oder anderen Namen nennen wollen?«
Narsdorf winkte ab. »Nein. Sagen Sie mir lieber, was ich am besten tun kann?«
»Sich in Geduld üben«, antwortete Mannhardt. »Wir müssen abwarten, bis sich Völlenklee und seine Partnerin sozusagen ausgetobt haben, siehe die Rachegelüste Ihnen gegenüber, und einsehen, dass sie nur noch verlieren können, wenn sie weitermachen, dass der Grenznutzen für sie gegen null geht.«
»Wir – Mägdesprung, Fröttstädt und ich – haben doch immer noch wesentlich mehr zu verlieren als sie, wenn alles publik werden sollte«, wandte Narsdorf ein.
»Es muss uns irgendwie gelingen, dass für alle Beteiligten eine Win-win-Situation herauskommt«, sagte Orlando. »Meine – wenn man so will – nichteheliche Großmutter hat herausbekommen, dass diese Corinna eine Galerie aufmachen will. Lassen wir ihr so viel Geld zukommen, dass sie das realisieren kann, wird sie für immer schweigen – und Völlenklee mit ihr.«
Mannhardt nickte. »Ja, und meine und Orlandos Aufgabe dabei ist, dass wir in etwa so wirken wie die Regelstäbe im Atomreaktor: Wir müssen uns zwischen die Brennstäbe schieben und die nukleare Explosion verhindern.«
17
In den Tagen und Wochen der Fußball-EM 2008 hatte Gunnar Schneeganß Besseres zu tun, als darüber nachzudenken, wer Bernhard Jöllenbeck auf dem U-Bahnhof Bayerischer Platz vor den einfahrenden Zug gestoßen hatte, falls er nicht selbst gesprungen sein sollte. Eugen Grätz, sein Gegenüber im Büro, hatte auch kein übertrieben großes Interesse, den möglichen Mörder hinter Schloss und Riegel zu bringen.
»Wer dieses Kinderschänderschwein von Jöllenbeck umgebracht hat, der sollte ’n Orden bekommen und nicht eingesperrt werden«, sagte Grätz hinter vorgehaltener Hand. Natürlich tat er alles, was in seiner Kraft stand, den Fall aufzuklären, aber viel stand nicht in seiner Kraft.
»Was melden die Gazetten?«, fragte Schneeganß.
»Mehrere Schlägereien mit Verletzten«, berichtete Grätz. »Polizei im Dauereinsatz.« Dann fasste er zusammen: »In Neukölln in der Sonnenallee haben sich gegen 20 Uhr auf Gehweg und Fahrbahn an die 100 Araber mit gezückten Messern gegenübergestanden. In der Kreuzberger Markgrafenstraße ist es gegen 22.50 Uhr zu einer Prügelei zwischen zwei türkischen Hochzeitsgesellschaften gekommen. Dabei schlug ein 15-Jähriger mit einer Gerüststange auf einen 17-Jährigen ein und fügte diesem einen Kieferbruch zu.« Grätz war empört. »Auf der Stelle ausweisen alle!«
Schneeganß grinste. »Solange sie das alles unter sich austragen …«
Grätz ärgerte sich inzwischen mehr über Herbert Grönemeyer als
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