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Promijagd

Promijagd

Titel: Promijagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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legte ihr den Arm um die Schultern. »Du kommst auf die Titelseiten von BILD und B. Z., du kommst in den Stern, den SPIEGEL und in zig Talkshows. Das wird der ganz große Durchbruch für dich. Gib nicht auf, du wirst es schaffen!«
    Sie machte sich von ihm los und war nahe daran, die Contenance zu verlieren. »Sollen denn alle wissen, dass ich ’ne Macke habe?«
    »Ja, sollen sie. Dann werden noch mehr deine Platten kaufen. Denk an Amy Winehouse und an meinen alten Spruch: ›Banal ist schal.‹ Die Medien machen die Leute groß, um sie anschließend auszuschlachten. Elend und Absturz sind immer gut. Jeder kann sich in dich hineinversetzen. Empathie und Mitleid sind immer gut. Wer eine CD von dir oder dein neuestes Album kauft, zeigt den anderen nicht nur, dass er weiß, was gerade angesagt ist, er will dir auch helfen. Wenn er sich mit dir vollkommen identifiziert, dann tut er auch etwas für sich, wenn er dir hilft.«
    Nicole Leckscheidt bückte sich, um ihre zerrissene Krankengeschichte wieder aufzuheben und die einzelnen Teile zusammenzusetzen. »Hier: ›… hasst das Publikum, möchte herausschreien, dass sie alle für Idioten hält, die ihr zuhören, und fürchtet, dass ihr Zorn einmal so groß werden könnte, dass sie mit einem Messer auf die einsticht, die ihr zujubeln.‹ Soll das publik werden? Das ist doch tödlich für mich!«
    Steve versuchte abzuwiegeln. »Natürlich müssen wir verhindern, dass die ganze Krankengeschichte irgendwo abgedruckt wird. Das schaffen wir nur, indem wir auf den Datenschutz pochen und mit Klagen drohen. Worauf die Journalisten abheben sollen, ist das, was dich sympathisch macht – wie das …« Er bückte sich, um den Rest der zerrissenen Krankengeschichte vom Boden aufzuheben. »Das mit der Borderline-Persönlichkeit kann bleiben, das finden alle interessant, und das hier: ›Mit den durchweg vernichtenden Kritiken der Redakteure kann sie nicht leben und zeigt zunehmend Symptome des Verfolgungswahns. Dinge und Menschen werden ihr unheimlich (»Die Wände in meiner eigenen Wohnung wollen mich fressen!«). Alle tun ihr Unrecht an, sie sieht sich als Opfer.‹ Das klingt gut, und alle werden dich verteidigen.«
    Nicole Leckscheidt zögerte weiterhin. »Ich weiß nicht so recht …«
    Steve blickte auf die Uhr. »Gleich fängt die zweite Halbzeit an, du musst dich irgendwann entscheiden.«

25
     
    ›Siehst du einen Mann, und er blickt dich nicht an – gib nicht auf, du wirst es schaffen! Willst du ein großer Star sein, und die Jury sagt dir: Nein – gib nicht auf, du wirst es schaffen!‹
    Justus Tabaschinski fasste sich an den Kopf, als er das hörte. Dennoch zögerte er einen Augenblick, ehe er auf einen anderen Sender umschaltete, denn die Stimme der Sängerin war ungemein erotisch und er hätte gern ihren Namen gewusst. Als der Moderator ihn schließlich nannte, war er enttäuscht: Millie Malorny. Schrecklich und höchstens was für Kids. Er wandte sich wieder seiner Lektüre zu:
    ›Der Mensch wird durch die Verachtung mehr gerührt, als durch Verabscheuung oder Hass. Verachtung ist für die Menschen am allerunerträglichsten. Wenn ein Mensch gehasset wird, so kann er es doch noch ertragen, weil sich doch noch andere seinetwegen inkommodieren und sich ärgern, wird er aber verachtet; so inkommodiert sich kein Mensch seinetwegen, er ist ihm ganz gleichgültig, und er frägt gar nichts nach ihm.‹
    Das war aus Immanuel Kants ›Anthropologie in pragmatischer Hinsicht‹, und Tabaschinski, der Philosophie im fünften Semester studierte, musste über diese Textstelle ein Referat halten. Er überlegte: Stimmt das alles? Er verachtete diese Sängerin – und dennoch wollte er den Namen wissen und war durch ihre Stimme so erregt, dass er wohl Hand an sich gelegt hätte, wäre er zu Hause gewesen, anstatt mit seiner Taxe am Mehringdamm zu stehen. Heute, wo alles Fußball sah, lief das Geschäft noch schlechter als gewöhnlich, aber sein Chef hatte ihn trotzdem auf die Straße geschickt. Nun denn …
    Immer wenn Tabaschinski nach einem möglichen Fahrgast Ausschau hielt, stach ihm diese selten dusslige Berlin-Werbung in die Augen: Be Berlin … Es gab da einen Wettbewerb, und er hatte auch schon seine Assoziationen eingeschickt: ›Be Berlin. Be in therapy. Be in the capital of losers.‹ Auf eine Antwort wartete er noch immer.
    Endlich bekam er eine Fuhre. Es war ein älteres Ehepaar, das in die Böckhstraße wollte.
    Er murmelte etwas vor sich hin, das sehr nach Bibel

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