Prophetengift: Roman
Prada veranstaltete einen Ausverkauf.
Und dann war da noch eine äußerst beunruhigende Mail von diesen militanten Christen, die ihr mitteilten, sie wüssten, wo
Sebastian sich verkrochen habe (die leitete Kitty ans FBI weiter), und schließlich eine Mail von Courtney selbst mit der Anmerkung: »Das solltest du lesen.« Sie klickte die Nachricht an.
Hi Kitty oder Katie,
ich weiß nicht, ob du dich noch an mich erinnerst, aber wir haben uns vor ungefähr zwanzig Jahren auf einer Party im Valley getroffen – in einem dieser großen Ranchhäuser unten an der Nordhoff Street. Ich bin ziemlich groß und hatte damals blondes Zottelhaar (das meiste ist mir ausgefallen, verdammt) und ich habe früher viel gesurft. Jedenfalls, wir sind uns in dieser Nacht sehr nahe gekommen und ich habe dich nie vergessen. Das soll jetzt kein Versuch sein, dich anzubaggern, aber ich hätte eine Frage an dich. Ich weiß selbst, dass es verrückt ist, aber seit ich gelesen habe, dass es irgendwie ein Geheimnis um Sebastians Vater gibt, habe ich gedacht, dass ich es vielleicht sein könnte, weil er fast so aussieht, wie ich damals ausgesehen habe, und es vom Alter her ungefähr hinkommt.
Kitty schnappte nach Luft. »Nein, nein, nein, nein, NEIN!« Sie zwang sich weiterzulesen.
Ich weiß, es klingt verrückt, und ich hoffe, du wirst es mir nicht übel nehmen, falls ich dich gekränkt haben sollte. Aber ich weiß, dass du dieses Mädchen bist, und ich weiß, was wir in dieser Nacht getan haben. Bitte lass mich wissen, ob er mein Sohn ist, denn wenn ja, würde ich wirklich gern mit dir darüber sprechen. Tut mir leid, dass ich dich damit so überfalle. Übrigens, eure Religion klingt toll.
Chuck Niesen
Seit Jahren graute ihr davor, dass Chuck sie und Sebastian irgendwann finden könnte, eine Gefahr, die mit jedem Auftritt, der sie ins Rampenlicht der Öffentlichkeit brachte, größer wurde. Sie hatte ihre Angst vor Entdeckung durch Änderung ihres Namens beschwichtigt und sich gesagt, die Möglichkeit, dass er sie und ihren Sohn entdecken könnte, sei nach zwei Jahrzehnten gering bis nicht existent. Aber offenbar nicht gering genug.
Was soll ich denn jetzt machen? Ihn ignorieren! Alles abstreiten? Mich mit dem Drecksack treffen und ihn mit Geld abfinden?
Sie sprang vom Schreibtisch auf, tastete nach ihren Zigaretten, zündete sich eine an, brannte die Hälfte davon mit drei tiefen Zügen ab und setzte sich dann wieder an den Computer, um eine rasche Antwort zu tippen:
Lieber Mr Niesen,
vielen Dank für Ihre E-Mail. Leider habe ich keine Ahnung, wer Sie sind oder wovon Sie sprechen, und ich nehme stark an, dass Sie mich mit jemandem verwechseln. Ich wünsche Ihnen das Allerbeste bei der Suche nach dieser Frau und möchte Sie ermutigen, unsere Website zu erkunden, die Sie mit Sebastians Lehren vertraut machen wird. Ich würde auch empfehlen, dass Sie sich Sebastians New-York-Times- Bestseller Das Buch vom Holozän (erhältlich bei Amazon. com) besorgen, damit Sie in der Lage sind, eine informierte Entscheidung darüber zu treffen, ob Sie sich unserer Gemeinde anschließen wollen. Nochmals besten Dank für Ihr Interesse!
Mit freundlichen Grüßen
Ms Kitty Black
Sie schickte die Mail ab und leitete eine Kopie an Courtney weiter, mit der expliziten Anweisung, sie sofort zu benachrichtigen,
wenn weitere Nachrichten von diesem Mann eintreffen sollten, und dann lehnte sie sich in ihrem Stuhl zurück und stöhnte.
Auf der anderen Seite der Stadt erhielt Chuck Niesen diese enttäuschende Mail von Kitty, die er sofort Hank zeigte.
»Klar, dass sie das sagt, was soll sie sonst machen?«, meinte Hank. »Was hast du erwartet? Ein tränenreiches Wiedersehen am Bahnhof?«
»Und was mache ich jetzt?« Chuck griff nach seiner fast leeren Zigarettenpackung.
»Na, es gibt ja noch Hoffnung«, bemerkte Hank.
»Und wieso?«
»Sie hat mit ›Ms‹ unterschrieben, nicht mit ›Mrs‹«, erklärte Hank, »und wie wir alle wissen, bedeutet das, dass sie auf dem Markt ist.«
Chuck lachte. »Ja, klar doch. Die Frau war in Vanity Fair, die ist sicher ganz scharf auf einen kahlköpfigen, kaputten Methsüchtigen wie mich.«
Hank zuckte die Achseln. »Ich hab schon Seltsameres erlebt.«
Chuck schüttelte den Kopf. »Ich bin auch gar nicht so sehr an ihr interessiert. Ich will nur herausfinden, ob ihr Sohn mein Kind ist – und die einzige Möglichkeit, das herauszufinden, ist, mich mit ihr zu treffen.«
»Warum mit ihr?«, fragte Hank.
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