Prophetengift: Roman
obsessiv im Kreis: Luke. Militante Christen. Kitty. Eidesstattliche Erklärung. Meine Position als Religionsführer. Meine Zukunft? Libbys Krebs. Party heute. Dämlicher Coby. Reed?
Gott, ist mir schlecht.
Er starrte an die Decke und versuchte, nicht zu denken. Aber seine Gedanken drehten sich im Kreis wie eine Windmühle im Sturm. Nach einiger Zeit, als ihm einfiel, wann er sich das letzte Mal so schlecht gefühlt hatte, begannen seine mentalen Rotorblätter sich zu verlangsamen.
Das war an jenem Abend vor ein paar Monaten gewesen, vor dem Treffen mit Luke und seinen Eltern.
Sebastian hatte ein unbehagliches Gefühl bei dieser Versammlung gehabt, die in einer Gedenkhalle des Ehrenmals für Kriegsveteranen in den Außenbezirken von Bakersfield stattfand – ein winziger Veranstaltungsort verglichen mit denen, wo er zuletzt aufgetreten war. Er hatte nur zugestimmt, die Versammlung zu leiten, weil Kitty darauf bestanden hatte, dass sie die ländlichen Gebiete mehr einbezogen, denn die »einfacheren Leute« aus diesen Gebieten fingen an, großzügiger mit ihren Spenden zu werden. Zudem hatte Kitty Sebastians normale Predigt etwas »heruntergedummt«, und sie wollte sehen,
wie dieses neue, leichtere Material bei Leuten ankam, die »nicht ganz so intellektuell« waren.
Aber schon während der Fahrt von L.A. – Kitty steuerte den Porsche Cayenne, Sebastian saß auf dem Beifahrersitz und lernte seinen Text – begann er sich krank zu fühlen: zu gleichen Teilen Kopfschmerzen und Magenschmerzen. Anfangs dachte er, es läge daran, dass er in einem fahrenden Auto las, aber auch nachdem er das Manuskript weggelegt, das Fenster geöffnet und sich auf die vorbeifliegende Landschaft konzentriert hatte, wurde es nicht besser.
Endlich erreichten sie ihr Ziel und der Gottesdienst begann.
Sebastian holperte durch seinen Text, las aus dem Buch vom Holozän vor, spulte weiter seinen Monolog ab und ging dann zu den Einzel-Kurzreadings über. Als er den Gottesdienst zum Abschluss brachte, merkte er, wie unzufrieden die Besucher waren.
Aber das war ihm egal. Irgendwas stimmte nicht.
Ich muss hier raus.
»Über den Gottesdienst reden wir später«, sagte Kitty hinter den Kulissen zu ihm und folgte ihm in die winzige Garderobe, die man ihnen zugeteilt hatte. »Es wartet jemand auf dich. Die Leute sind stundenlang gefahren, um dich zu sehen. Es ist ein furchtbar trauriger Fall und es sind so nette Leute. Und sie beten dich an – insbesondere die Frau.«
»Gott, nein, Kitty, jetzt nicht«, jammerte Sebastian, der fürchtete, sich gleich übergeben zu müssen. »Du weißt, wie ich es hasse, nach den Versammlungen mit Leuten reden zu müssen. Ich muss gleich reihern, mein Kopf tut weh und uns steht noch eine Fahrt von zwei Stunden bevor.«
Kitty stellte sich auf die Zehenspitzen und fühlte seine Stirn. »Kein Fieber«, erklärte sie. »Du warst einfach furchtbar heute, und jetzt hast du die Chance, es gegenüber diesen Leuten wiedergutzumachen. Und wenn du das Kind siehst, wirst du froh
sein, dass du dir die Zeit genommen hast.« Kitty blickte finster. »Vertrau mir.«
Sie führte Sebastian zur Tür seiner Garderobe, wo ein Mann mit grimmigem Gesicht, eine hochgewachsene blonde Frau und ein kahlköpfiges Kind im Rollstuhl auf ihn warteten.
»Sebastian, das sind Steve und Dawn«, sagte Kitty mit einem strahlenden Lächeln. »Und der junge Mann ist ihr tapferer Sohn Luke.«
Der seelische Schmerz, den Dawn ausstrahlte, kam ihm vor wie das ohrenbetäubende Pfeifen eines Güterzugs, das niemand hören konnte – nur Sebastian spürte die Schallwellen. Also stählte er sich, warf sich in Positur und bedachte jedes der Familienmitglieder mit einem freundlichen Lächeln. »Wie schön, Sie kennenzulernen«, sagte er und schüttelte allen die Hand. »Reden wir.«
Wenn er es nur vorher gewusst hätte.
Und jetzt litt er wieder unter genau diesen Symptomen – sein Kopf schmerzte, als würde sein Gehirn anschwellen und gegen die Schädeldecke drücken, und sein Magen fühlte sich an, als hätte er ein Schlachtermesser verschluckt.
Es muss die Party sein. Jemand kommt.
Aber wer? Und was wird er tun?
Kitty überflog die restlichen Mails, die ihre Assistentin Courtney an sie weitergeleitet hatte. Larry fragte an, ob sie schon Fortschritte bei ihren Versuchen erzielt habe, Sebastian nach Hause zu locken, Caitlyn DePalma teilte offiziell das Ende ihrer Geschäftsbeziehungen mit und kündigte an, dass sie den Vorschuss behalten werde,
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