zur Verfügung stand. Wie er vermutet und gehofft hatte, war es den Angreifern noch nicht gelungen, seine Codes zu knacken. Das Decrypt-Programm war allerdings schon bei der sechsten von zwölf Stellen seines Admin-Passwortes angekommen, also gönnte Oskar sich und seinen Gegnern ein völlig neues Passwort, diesmal fünfzehnstellig, schickte das Dechiffrierungsprogramm seiner Gegner somit zurück auf Start und steckte Thilos Mem-Stick in den Firewire-Slot. Nach einer bangen Sekunde signalisierte er Beck, das File auf dem Stick sei unversehrt, und wies auf ein kleines Icon im Übersichtsfenster des Servers.
»Post von deinem Boss?«
Beck nickte, als er den Absender sah:
[email protected]. Hinter der Mail von Agneta Olsen hing der Film, den er von Gerrittsen verlangt hatte. Er sah sich nur die ersten dreißig Sekunden an, erstaunt und hocherfreut, während Oskar den Leibwächter-Clip mit den vorbereiteten Texttafeln und Becks Ankündigung verband und auf den Server stellte, dann wies er Oskar an, auch den Gerrittsen-Film hochzustellen, als Intro, vor den Clip.
Der IICO -Institutsleiter hatte offensichtlich begriffen, was dieStunde geschlagen hatte. Beziehungsweise wessen Stunde. Und während der gesamte Clip auf dem Server landete, vor den Augen der gesamten Welt oder wenigstens der zig Millionen Menschen, die die Site von Diego Garcia inzwischen fast permanent ansteuerten, sah und hörte Beck sich das Geständnis seines ehemaligen Chefs vollständig an. Es war allerdings nicht nur ein Geständnis, es war auch und vor allem eine Schuldzuweisung. Ja, er hatte Fehler gemacht. Ja, er hatte sich verleiten lassen von der Aussicht auf weitere Finanzierung seines Forschungsprojekts, von der Aussicht, ein Programm zu schaffen, das der Menschheit dereinst helfen würde. Ja, er hatte hier und da Daten manipuliert, zugegeben, aber immer nur zu einem guten Zweck, im Dienste der Forschung und der Menschheit. Eisele hingegen hatte von Anfang an andere Ziele gehabt. Eisele hatte nichts von seinen, Gerrittsens Einwänden hören wollen, das Programm sei noch nicht ausgereift, hatte keinerlei Diskussion zugelassen. Und er hatte nicht nur die Prognose für valid, für gesichert gehalten, er hatte auch die Nachrichtensperre angeordnet. Was allerdings zu keinem Zeitpunkt für ihn selbst gegolten hatte, denn er hatte monatelang seine Vorbereitungen getroffen für den »Tag X«, den Tag, an dem er, allerbestens vernetzt, politisch wie industriell, alle humanitären Schritte zur Linderung der unausweichlichen Katastrophe vorbereitet haben wollte.
Dass er dies zu keinem Zeitpunkt geplant hatte, sondern lediglich seine persönliche Bereicherung, hatte Gerrittsen, wie er stolz und verletzt verkündete, nicht gewusst, ja nicht einmal geahnt. Bis zuletzt.
Er betonte, was seiner Ansicht nach inzwischen jeder begriffen haben musste, der Augen oder Ohren besaß: Die Prognose traf nicht zu. Prometheus hatte die Stürme nicht vorhergesehen, die über dem Norden Europas wüteten, und Prometheus lag inzwischen, nach einigen Wochen, in denen seine Prognose verblüffend genau den tatsächlichen globalen Wetterverhältnissen entsprochen hatte, in den meisten Regionen nicht mehr allzu nah an den tatsächlich gemessenen Temperaturen oder Windverhältnissen. Man möge sich trotz der entstandenen Hysterie, trotz aller Sorge, aller Panik, die Mühe machen, einen erneuten Blick in die Prognosedaten zu werfen. Man werde nicht umhinkommenfestzustellen, dass Prometheus noch lange nicht so weit war, wie er, Gerrittsen, es sich wünschte.
Den Abschluss seines Geständnisses bildete seine pathetische Bitte an die Menschen der Welt, ihn nicht für sein Tun zu verdammen. Er habe der Menschheit Prometheus schenken wollen, ein Licht, eine Fackel im Dunklen, ein endlich fähiges, endlich mächtiges Programm, das ihnen allen helfen sollte, klimatische Veränderungen rechtzeitig zu erkennen. Ein Programm, ein Modell, das sie so dringend benötigten, wollten sie nicht weiter abhängig sein von den absurd unzureichenden Computermodellen, die sie in der Vergangenheit für Prognosen verwandt hatten und die sie, die Menschen, in seinen Augen zu hysterischen Schritten veranlasst hatten, Schritten, die sie wirtschaftlich und humanitär ins Verderben zu führen drohten.
Die abschließenden fast zwei Minuten mahnender Bemerkungen des Professors an die Adresse aller Nichtwissenschaftler und freundlichen, aber naiven Gutmenschen und Gaia-Freunde ließ Beck von Oskar aus dem Clip