Prophezeiung
planetengroßen Hirn, hatte Eisele vor?
Eine chinesische Bombe?
Oder genauer: eine angebliche chinesische Bombe, die einen Vulkan im Tschad zum Wohle der Menschheit traf? Das ergab keinen Sinn. Wieso wollte Eisele ausgerechnet Chinesen den Ruhm und Ehre überlassen, die entscheidende Bombe beigesteuert zu haben?
Die Antwort lag auf der Hand. Aber nicht für Leland Milett.
Sein Grübeln fand ein abruptes Ende, als auf gleich mehreren der Bildschirme im Versammlungssaal die gleichen Bilder erschienen, begleitet von einem kurzen Tumult auf der rechten Seite des Saales, wo offenbar gestritten wurde, ob es überhaupt zulässig sei, diese Bilder vorzuführen. Die Befürworter hatten sich durchgesetzt, wie die Flachbildschirme bewiesen.
Milett fand, dass Bjarne Gerrittsen alt geworden war. Und dassder Norweger nicht aussah wie ein Genie, sondern bloß sehr abgespannt.
Er sah das Logo des Kommandos Diego Garcia rechts unten im Bild und verzog angewidert das Gesicht. Hatte Eisele ihm nicht versichert, diese gefährlich schwachsinnigen Wald- und Wiesenpropagandisten seien aus dem Verkehr gezogen worden? Auch dieses Versagen hatte Eisele ihm gefälligst zu erklären. Aber zunächst einmal hörte Milett zu, wie die meisten anderen im Saal, in dem das Murmeln schlagartig leiser wurde und schließlich angespannter Stille Platz machte.
Die Versammlung lauschte Gerrittsens Worten.
Milett sah Jean-Baptiste auf sich zueilen. Er konnte sich nicht entsinnen, seinen französischen Helfer je so ernst gesehen zu haben.
»Leland«, sagte JB , »das ist eine Katastrophe.«
Milett begriff nicht, was der Mann meinte. Diego Garcia war ein Ärgernis, keine Katastrophe. Die Katastrophe, die Völkerwanderung, die Hunderte Millionen Leben kostete, würden sie verhindern, basta. Und zwar nicht mit getürkten chinesischen Sprengköpfen, sondern mit ihren eigenen. Der Retter der Welt würde kein x-beliebiger gelber Bauer sein, sondern er, Leland Milett.
»Was?«, sagte Milett stolz.
»Hören Sie zu?«, sagte Jean-Baptiste. »Er sagt, dass die Prognose nicht stimmt.«
»Bah«, sagte Milett.
»Und das da«, sagte JB und deutete mit ausgestrecktem Zeigefinger auf die Bildschirme, »ist schon seit fast einer Stunde im Netz.«
»Herrgott, Sie sollen sich um die wichtigen Gerüchte kümmern«, sagte Milett, »nicht um diesen haarsträubenden Unfug! Haben Sie denn vollkommen …«
Und dann unterbrach er sich selbst, weil er durch die offen stehende hohe Doppeltür des Versammlungssaales eine völlig neue Horde breitschultriger Leibwächter sah, die im Laufschritt den Korridor entlang auf Eiseles Büro zustrebte, angeführt von einem kleinen, fast kahlen Mann in dunkelblauem Anzug und beigem Trenchcoat, der nicht so aussah, als werde er sich von Eiseles persönlichen Schränken am Betreten des Büros hindern lassen.
Wütend sprang Milett auf und setzte sich in Bewegung. Ganz gleich, wer diese Leute waren, sie hatten sich hinten anzustellen. Er war zuerst da gewesen, er war der wichtigste Mann der Welt, und bevor irgendjemand überhaupt es wagte, Fritz Eisele Fragen zu stellen, würde er, Leland Milett, seine Antworten bekommen. Nichts und niemand würde ihn daran hindern, kein Bodyguard, kein Wichtigtuer, nicht einmal einer, dem Interpol unsichtbar tätowiert auf der Glatze stand. Nicht die waren dran. Er war dran. Wer das anders sah, wer sich nun auch noch vorzudrängeln versuchte, nachdem er selbst stundenlang gewartet hatte, der musste ihn schon erschießen. Und niemand, das wusste Leland Milett in seinem kokaingeschützten Hirn, würde es wagen, auch nur seine lächerliche Dienstwaffe auf den wichtigsten Mann der Welt zu richten.
Niemand.
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57 Die Kugeln, die den Kajütkreuzer verfehlten, flogen weiter in Richtung Ufer, und Mavie hatte das sichere Gefühl, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis sich einer der Schüsse in ihren Rücken verirrte. Dennoch blieb sie sitzen, paddelte, so schnell sie konnte, und fand gar keine Zeit für die Frage, ob sie es richtig fand, dass Karla sich schützend halb über ihre Kinder gelegt hatte. Und deshalb nicht paddeln konnte.
Zwischen den Paddelstößen sah sie immer wieder über die Schulter nach hinten, auf den Fluss, in Richtung der Boote, in der Hoffnung, die Schlauchboote endlich abdrehen zu sehen. Oder sinken zu sehen. Aber das geschah nicht. Für einen Augenblick schien die nun wieder dreiköpfige Besatzung des Kreuzers in der besseren Position zu sein, denn Philipp und Edward
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