Provinz Fünf (German Edition)
Schritt zurück, sah den Roboter an, und grinste.
„Kein Wunder, dass der eiserne Mann nichts hört”, sagte Eugene. „Ich habe noch nie einen Roboter in so einem jämmerlichen Zustand gesehen. Hast Du ihn vielleicht von den Felsen hinabgestürzt, Kleiner? Und wie steuerst Du ihn? Mit einem Funksender, mit Deinem Handy oder mit der TV-Fernbedienung von zu Hause?”
„ Mit den Tasten auf seinem Rücken”, sagte der junge Jäger. „Ich schreibe damit, was er zu tun hat.”
Eugene sagte: „Hier ist jemand ganz verrückt. Kennst Du ihn, Sel? Oder ist er nicht von hier?”
„ Ich kenne ihn nicht”, sagte Sel. „Wo wohnst du, Bongo?”
„ Ich lebe mit meiner Mutter bei den Drei Ohren.”
„ Drei Ohren? Wo zum Teufel ist das?”, fragte Sel.
„ Der Gipfel da drüben. Er wird Drei Ohren genannt. Wir haben dort eine Farm. Sie heißt Drei Ohren, wie der Berg.“
„ Er lügt”, sagte Sel, „da wohnt niemand. Ich wohne jetzt schon seit fünf Jahren hier, und weiß ganz bestimmt, dass dort niemand wohnt.”
„ Doch, wir leben dort.”
Sel sagte: „Es kommen keine Funksignale von diesem Fleck. Warum bist du nicht im Netz? Und woher bekommt Ihr Waren und Lebensmittel? Nimm mich nicht auf den Arm, Bongo.”
„ Wir machen unsere Einkäufe in Sevin, aber wir gehen nicht sehr oft dorthin. Wir, das sind meine Mutter und ich, führen ein einfaches, sehr naturnahes Leben. Wir haben keine Funksender, keine Telefone, kein Netz. Mein Vater starb an einer Krankheit, die er sich in Sevin eingefangen hatte. Es ist eine große Stadt. Wir leben weit weg vom Laster. Und der Vogel da, gehört der wirklich Euch?”
„ Ja, er gehört mir. Es ist kein Vogel, sondern ein Reptil. Es ist ein Flugsaurier. Eigentlich ein genetisch veränderter Pteranodon”, sagte Sel.
„ Tut mir leid, ich dachte, Ihr wolltet meine Beute stehlen. Ich wollte ihn ausstopfen und in Sevin für fünfhundert Mark verkaufen. Es ist ein wunderbares Geschöpf.”
Eugene lie ß das Gewehr sinken. Offenbar war der Junge nicht ganz in Ordnung und hätte sie wohl kaum getötet. Aber wer weiß?
Die drei Männer redeten weiter, dann setzten sie sich i ns Gras, und frühstückten zusammen. Der Junge mochte den frischen, gekühlten Orangensaft gemischt mit etwas Maracujasaft und Wodka. Es stellte sich heraus, dass seine Mutter überempfindlich auf das Thema Laster war und, dass die beiden in fast völliger Abgeschiedenheit auf einer Geflügelfarm lebten. Die beiden und der angeschlagene Roboter arbeiteten dort.
„ Aber seht nicht nur auf sein Äußeres!”, sagte der Junge. „Er ist furchtbar intelligent und kann eine Menge Dinge zu tun. Er ist es, der die Reparaturen macht, zu Hause und auf der Farm. Er hört nichts mit seinen Ohren, in ihm ist ein Computer, und sogar ein Radio, und er weiß alles über die Welt: welche Waren man in Sevin finden kann, wo und was alles passiert ist, und er kann auch singen. Aber Mama lässt ihn nicht oft reden. Und wenn Ihr nur wüsstet, wie er liest. Er ist großartig! Manchmal prüfe ich ihn, um zu sehen, ob er nicht schwindelt, weil er so schnell liest, aber es ist genau das Gleiche. Absolut das Gleiche. Das kann ich schwören! Ich prüfe ihn selten, weil es zu viel Zeit in Anspruch nimmt. Ich lüge nicht. Warum seht Ihr Euch einander so an? Es ist wahr. Es ist schade, dass wir kein Buch hier haben, damit ich es Euch zeigen kann. Aber ich habe einige zu Hause ...”
„ Sel”, flüsterte Eugene leise, “das sollte man der Kommission für Menschenrechte melden. Sie hat kein Recht, ihn so zu behandeln.”
„ Darüber reden wir später.” Sel wandte sich an den Jungen. „Hast Du eine andere Waffe?”
„ Nein, die hier war ganz neu. Sie war erst acht Jahre alt. Und furchtbar teuer. Mama kaufte sie für siebentausend Mark.“
„ Es tut mir leid, mein Freund hat sie kaputtgemacht”, sagte Sel. „Möchtest Du meine haben?”
„ Nein, die schießt mit Patronen. Das ist zu teuer. Man muss für jede einzelne Patrone Geld bezahlen, egal ob es neue oder wiederbefüllte sind. Ich bin nicht wie die Jäger, die im Geld schwimmen und nicht wissen, was sie damit anfangen sollen. Sie gehen dort unten auf Jagd und töten einige große Tiere. Mama hat mir verboten hier herumzulaufen, wegen der Jäger, aber heute hat mich der Vogel herangelockt. Es ist sehr eigenartig. Ich habe noch nie solche Vögel hier gesehen. Gibst du mir den Vogel?”
„ Nein”, sagte Sel. „Es tut mir leid, aber ich brauche ihn. Moment mal!“
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