P.S. Ich liebe Dich
war. Trotzdem war es irgendwie nicht richtig, mit einem anderen Mann als Gerry in einem kleinen, intimen Restaurant essen zu gehen. Überhaupt fühlte sie sich seltsam. Eigentlich hätte sie um diese Zeit zu Hause sein und am Küchentisch darauf warten sollen, dass es endlich Mitternacht wurde und sie ihren Oktoberbrief von Gerry aufmachen konnte.
Doch dann erstarrte sie plötzlich. Ein Paar kam auf sie zu, ein Paar, von dem sie keinesfalls erkannt werden wollte. Schnell bückte sie sich, damit man ihr Gesicht nicht sah, und tat so, als müsste sie sich die Schuhe zubinden, aber dann merkte sie leider, dass sie Stiefel trug, und ihr blieb nichts anderes übrig, als sich mit ihren Hosenaufschlägen zu beschäftigen.
»Holly, bist du das?«, hörte sie eine vertraute Stimme. Sie starrte auf zwei Paar Schuhe, die direkt vor ihr standen, und hob langsam den Kopf.
»Oh, hallo!«, rief sie und versuchte, überrascht zu klingen, während sie sich aufrichtete.
»Wie geht’s denn so?«, fragte die Frau, während sie Holly förmlich umarmte. »Warum stehst du denn hier in der Kälte herum?«
Holly schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass Daniel noch ein Weilchen im Restaurant aufgehalten wurde. »Ach, weißt du … ich hab gerade was gegessen«, erklärte sie lahm und deutete nervös auf das Restaurant.
»Ach, da wollten wir auch hin«, meinte der Mann mit einem Lächeln. »Schade, dass wir dich verpasst haben, sonst hätten wir uns ein bisschen unterhalten können.«
»Ja, stimmt, das ist schade … «
»Es tut dir sicher gut, wenn du ein bisschen rauskommst und etwas unternimmst«, sagte die Frau und tätschelte Hollys Schulter.
»Na ja, eigentlich … « Holly warf einen nervösen Blick zur Tür des Restaurants. »Ja, es ist schon nett … « Sie verstummte.
»Da bist du ja!«, rief Daniel. »Ich dachte schon, du wärst mir davongelaufen«, lachte er und legte ihr den Arm freundschaftlich um die Taille.
Holly schenkte ihm ein schwaches Lächeln und drehte sich wieder zu dem Paar um.
»Oh, Entschuldigung, ich hab Sie gar nicht gesehen«, meinte Daniel lächelnd und wandte sich den beiden ebenfalls zu.
Mit versteinerter Miene starrte das Paar ihn an.
»Äh … Daniel, das sind Judith und Charles. Gerrys Eltern.«
Holly drückte heftig auf die Hupe und fluchte auf den Autofahrer vor ihr. Sie kochte vor Wut. Sie ärgerte sich über sich selbst, weil sie das Gefühl hatte, in einer verfänglichen Lage ertappt worden zu sein, wo sie sich doch überhaupt nichts hatte zuschulden kommen lassen. Aber das machte sie nur noch wütender, vor allem, weil sie den Abend mit Daniel wirklich genossen hatte. Und sie durfte sich nicht amüsieren, weil es sich nicht richtig anfühlte, aber es hatte sich trotzdem richtig angefühlt …
Sie massierte sich mit den Fingern die Schläfen. Sie hatte Kopfschmerzen, sie machte sich das Leben mal wieder unnötig kompliziert, und der Verkehr trieb sie zum Wahnsinn. Armer Daniel, dachte sie traurig. Gerrys Eltern waren so unhöflich zu ihm gewesen, hatten das Gespräch abrupt abgebrochen und waren im Restaurant verschwunden, ohne Holly auch nur eines weiteren Blickes zu würdigen. Warum musste sie ihnen auch ausgerechnet in dem einen Moment über den Weg laufen? Wenn sie an einem x-beliebigen anderen Tag bei ihr zu Hause vorbeigekommen wären, hätten sie gesehen, wie schlecht es ihr ging und dass sie das perfekte Witwendasein führte. Das hätte die beiden wahrscheinlich glücklich gemacht. Aber davon wussten sie natürlich nichts und dachten jetzt, dass Holly ja schnell über ihren Sohn weggekommen war. Rutscht mir doch den Buckel runter, dachte Holly wütend und drückte noch einmal auf die Hupe. Warum brauchten manche Leute fünf Minuten, bis sie sich weiterbewegten, wenn es grün wurde?
An jeder Ampel musste sie warten, dabei wollte sie doch nur nach Hause und in ihren eigenen vier Wänden ihrer Wut freien Lauf lassen. Sie nahm ihr Handy und wählte Sharons Nummer. Ihre Freundin würde sie bestimmt verstehen.
»Hallo?«
»Hi, John, hier ist Holly, kann ich Sharon sprechen?«, sagte sie und war selbst überrascht von ihrer fröhlichen Stimme.
»Tut mir Leid, Holly, sie schläft gerade. Normalerweise würde ich sie gern für dich wecken, aber sie war total erschöpft … «
»Nein, nein, lass sie nur schlafen«, unterbrach sie ihn. »Dann ruf ich eben morgen noch mal an.«
»Ist es was Wichtiges?«, fragte er besorgt.
»Nein«, antwortete Holly ruhig. »Überhaupt nicht.«
Weitere Kostenlose Bücher