P.S. Ich liebe Dich
auszulassen.«
Jetzt schien Denise sich so weit gefasst zu haben, dass sie wieder sprechen konnte. »Nein, du hattest völlig Recht, Holly … «, begann sie.
Holly schüttelte den Kopf und wollte widersprechen, aber Denise redete schnell weiter. »Ich war so aufgeregt wegen der Hochzeit, dass ich überhaupt nicht daran gedacht habe, wie du dich fühlen könntest.«
Nachdenklich sah Denise ihre Freundin an, deren Gesicht über dem dunklen Jackett sehr bleich wirkte. Holly kam insgesamt so gut zurecht, dass ihre Umgebung oft vergaß, dass sie ihre Gespenster noch längst nicht überwunden hatte.
»Aber du hast ja auch das Recht, aufgeregt zu sein«, beharrte Holly.
»Und du hast das Recht, durcheinander und sauer zu sein«, erwiderte Denise fest. »Ich hab nicht nachgedacht, ich hab einfach nicht nachgedacht«, wiederholte sie und legte die Hände ans Gesicht. »Natürlich gehst du nicht zum Ball, wenn es zu schwierig für dich ist. Wir verstehen das.« Sie griff nach Hollys Händen.
Nach dem Gespräch mit Chris hatte Holly eigentlich beschlossen hinzugehen, und es verwirrte sie, dass ihre Freundin jetzt plötzlich sagte, es wäre in Ordnung, wenn sie wegblieb. Außerdem hatte sie Kopfschmerzen, und Kopfschmerzen machten ihr nach wie vor Angst. Sie machte mit Denise aus, ihr später Bescheid zu geben, und verabschiedete sich von ihr.
Noch unsicherer als vorher ging sie zurück zur Arbeit. Vielleicht hatte Denise Recht. Es war doch nur ein blöder Ball, und sie musste nicht hin, wenn sie keine Lust hatte. Aber so albern der Ball auch sein mochte, er war für sie und Gerry wichtig gewesen. Sie hatten den Abend immer genossen, einen Abend, an dem sie mit Freunden zusammen waren und zu ihren Lieblingssongs tanzten. Wenn sie dieses Jahr ohne ihn hinging, brach sie eine Tradition und ersetzte schöne alte Erinnerungen mit völlig neuen. Das wollte sie nicht. Sie wollte jede einzelne Erinnerung an Gerry behalten. Es erschreckte sie, dass sie anfing, sein Gesicht zu vergessen. Wenn sie von ihm träumte, war er immer jemand anderes; ein Mensch, den sie sich ausgedacht hatte, mit einem anderen Gesicht und einer anderen Stimme.
Gelegentlich rief sie seine Handynummer an, nur um seine Stimme auf dem Anrufbeantworter zu hören. Sein Geruch im Haus war längst verschwunden, seine Klamotten hatte sie auf seine Aufforderung hin weggegeben. Langsam verschwand er aus ihren Gedanken, und sie klammerte sich an jede Kleinigkeit, die ihr noch blieb. Jeden Abend vor dem Einschlafen dachte sie ganz bewusst an ihn, in der Hoffnung, sie würde dann von ihm träumen. Sie hatte sich sogar sein Aftershave gekauft und im Haus versprüht, damit sie sich nicht so allein fühlte. Manchmal, wenn sie weg war, versetzte ein vertrauter Geruch oder ein Song sie an einen anderen Ort oder in eine andere Zeit zurück. Eine glücklichere Zeit.
Hin und wieder bildete sie sich ein, dass sie ihn auf der Straße gesehen hatte oder dass er in einem Auto an ihr vorbeigefahren war. Dann nahm sie sofort die Verfolgung auf, natürlich nur, um irgendwann akzeptieren zu müssen, dass es nicht Gerry war, sondern nur ein Mann, der ihm ähnlich sah. Aber sie konnte einfach nicht loslassen. Sie konnte nicht loslassen, weil sie nicht loslassen wollte, und sie wollte nicht loslassen, weil Gerry alles war, was sie hatte. Aber weil sie Gerry ja nicht wirklich festhalten konnte, fühlte sie sich ratlos und verwirrt.
Bevor sie in ihr Büro zurückkehrte, schaute sie noch schnell bei Hogan’s vorbei. Das Verhältnis zwischen ihr und Daniel war wieder viel entspannter geworden. Nach dem so genannten Geschäftsessen war ihr irgendwann aufgegangen, dass sie sich lächerlich aufführte. Jetzt verstand sie auch, warum: Die einzige richtige Freundschaft mit einem Mann, die sie je gehabt hatte, war die mit Gerry gewesen, und diese hatte eben auch den romantischen Aspekt umfasst. Die Vorstellung, mit Daniel gut befreundet zu sein, war Holly lange Zeit seltsam und ungewohnt vorgekommen, aber irgendwann war sie zu der Einsicht gelangt, dass so etwas durchaus möglich war. Selbst wenn der Mann verdammt gut aussah.
So hatte sich das kameradschaftliche Gefühl für Daniel weiterentwickelt, das sie von Anfang an ihm gegenüber gespürt hatte. Sie konnten stundenlang diskutieren, über ihre Gefühle und ihr Leben, und Holly wusste, dass sie gegen einen gemeinsamen Feind kämpften: die Einsamkeit. Sie wusste, dass er einen ähnlichen Kummer überwinden musste, und sie halfen einander
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